2 DIE DIMENSIONEN DES BEZIEHUNGSASPEKTES
2.1 Die schulenspezifische Dimension
2.2 Die traumaspezifische Dimension
2.4 Die phasenspezifische Dimension
2.5 Die EMDR-spezifische Dimension
2.5.2 Das EMDR-Standardprotokoll
Literatur
Als Psychotherapeut bin ich in verschiedenen Methoden ausgebildet und diese therapeutische Sozialisation hat in mir die Identität eines "Beziehungsarbeiters" geschaffen.
Meine erste Begegnung mit EMDR war - wie könnte es anders sein - eine traumatische.
Beim Schmökern im Buchladen hat mich die Lektüre eines Transskriptes einer EMDR-Behandlung in Erschrecken und Erstaunen über die mangelnde Dialogbereitschaft der behandelnden Therapeutin versetzt. Die Klientin berichtet in diesem Transskript von einer traumatischen Erfahrung und die Therapeutin äußert sich dazu in der Form von: "Ja, sehr gut!" und: "Bleiben Sie dabei!"
Offensichtlich bin ich in eine - wie ich heute weiß - "Reprozessierungsphase" eines EMDR-Standard-Protokolls geraten, und die weitere Lektüre hat suggeriert, dass es bei dieser Methode nicht auf den therapeutischen Dialog und all das ankomme, worin ich mich bislang habe schulen lassen, sondern auf einen durch Augenbewegungen initiierten inneren Verarbeitungsprozess.
Inzwischen habe ich beides verarbeitet: sowohl mein Erschrecken als auch mein Erstaunen. Geblieben ist das Interesse an der Bedeutung der therapeutischen Beziehung im Rahmen der EMDR-Behandlung.
Die Psychotherapieforschung hat gezeigt, dass die therapeutische Beziehung ein unspezifischer Wirkfaktor in der Psychotherapie ist. Dennoch stellt die therapeutische Beziehung das therapeutische Agens dar (vgl. GRAWE et al. 1994).
Primär wirksam in der Psychotherapie ist also nicht das Charakteristische einer bestimmten psychotherapeutischen Methode oder Technik, sondern die therapeutische Beziehung als unspezifische Rahmenbedingung der Psychotherapie.
Bei einer ersten Annäherung an dieses Thema zeichnen sich verschiedene Dimensionen des Beziehungsaspektes bei EMDR ab:
Von Roger SOLOMON (1999, S.11) stammt der Satz: "EMDR is not a ´stand alone´ method." Er postulierte damit die Notwendigkeit einer Einbindung von EMDR in ein umfassendes Therapiekonzept bzw. eine Einbettung von EMDR in eine traditionelle Psychotherapie. Die therapietheoretische Konzeption der jeweiligen Therapieschule bestimmt in schulenspezifischer Weise, welche Gewichtung und Bedeutung der therapeutischen Beziehung zukommt. Zwischen den Polen der Psychoanalyse, die die therapeutische Beziehung als das therapeutische Medium ansieht und der Verhaltenstherapie mit vergleichsweise geringer Gewichtung der therapeutischen Beziehung gibt es alle möglichen Abstufungen.
Dieser schulenspezifische Aspekt determiniert explizit oder implizit die Bedeutung und Handhabung der therapeutischen Beziehung im Rahmen einer EMDR-Behandlung.
Wenn wir das Hauptindikationsgebiet von EMDR im Bereich der traumatogenen Störungen sehen, dann sind für die therapeutische Beziehung naturgemäß psychotraumatologische Aspekte von Bedeutung.
Das Traumaopfer macht bestimmte (traumatische) Erfahrungen, die die Persönlichkeit nachhaltig prägen, d.h. in ihrer Struktur und ihrem Erleben spezifische Dispositionen schaffen. Diesen Aspekten ist im Umgang mit Traumaopfern in spezifischer Weise Rechnung zu tragen.
Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: ein Internist, der zufällig Zeuge eines Unfalles wird, wird dem Unfallopfer am Unfallort keine internistische Untersuchung angedeihen lassen, sondern der Unfallsituation entsprechend Hilfe leisten: er wird das Unfallopfer nicht ohne weiteres in sein Auto legen, sondern sich fragen, ob überhaupt Transportfähigkeit gegeben ist, die Wirbelsäule ev. verletzt ist u.a.m.
Diese traumaspezifischen Aspekte lassen sich bestimmten Bereichen zuordnen, die zueinander in einer psychologischen bzw. psychodynamischen Beziehung stehen und als Aspekte des "Traumaschemas" betrachtet werden (vgl. FISCHER u. RIEDESSER, 1998) können.
Diese Aspekte sollen in der folgenden Tabelle 1 kurz dargestellt werden. Eine eingehende Diskussion erfolgt weiter unten im Zusammenhang mit der EMDR-spezifischen Handhabung derselben.
Tabelle 1: Aspekte des Traumaschemas
Traumaschema | Therapeutisches (Beziehungs-) Ziel | |
Autonomie | ||
1 | Opfer | Survivor |
2 | Regulationsstörung bzgl. Nähe und Distanz | Selbstbestimmung bzgl. Grenzen |
3 | Überforderung der subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten | Kompetenz, Ressourcen |
Erfahrung | ||
4 | Willkür | Zuverlässigkeit, Vorhersagbarkeit |
5 | Dissoziatives Erleben | Assoziation, Integration |
Gedächtnis | ||
6 | implizites Ged. | explizites Ged. |
Symptomtrias | ||
7 | Intrusion | Distanzierung, Dosierung, Integration |
8 | Konstriktion | Kontakt mit Erleben |
9 | Arousal (psych. veg. Bereitstellung) | in Gegenwart leben |
Körpererleben | ||
10 | Körperentfremdung | im Körper zu Hause, Identifikation m. d. Körper Körpervertrauen |
11 | Körper als Objekt (von Projektionen u.a.m.) | Körper als Sphäre des Selbst |
Kognitive Schemata | ||
12 | Schulderleben | Fremdverantwortung |
13 | Angst | Sicherheit |
14 | Ohnmacht | Entscheidungsfreiheit |
15 | Misstrauen in Mensch und Welt | Vertrauen |
16 | negatives Selbstbild | adäquates Selbstbild |
Sozialer Bereich | ||
17 | Isolation | Beziehung |
18 | Misstrauen | Vertrauen |
Das Traumaopfer ist in seiner Persönlichkeit geprägt vom traumatischen Erleben sowie vom persönlichen Modus der Traumaverarbeitung. D.h.: das Trauma macht etwas mit dem Traumaopfer und das Traumaopfer macht seinerseits etwas mit der Traumaerfahrung, die über das Traumaopfer in die therapeutische Beziehung hineingetragen und so in traumaspezifischer Weise gestaltet wird.
Bezüglich der Konfrontation des Therapeuten mit dem Trauma ist die Reflexion allgemeiner sozialpsychologischer Abwehrprozesse von Bedeutung, denen auch Therapeuten unterliegen können.
In der Folge sei kurz auf einige Phänomene solcher Abwehrprozesse eingegangen:
Opferbeschuldigung: schafft die illusorische Sicherheit, selbst würde man von einer derartigen Erfahrung verschont bleiben, da das Opfer etwas falsch gemacht hat (s.a.: sog. retrospektive Opferbeschuldigung).
Egozentrismus: Motto: "Was mir hilfreich erscheint (oder: was mir selbst geholfen hat), muss auch Dir helfen (z.B. EMDR)."
Neutralitätshaltung: Motto: "Wenn sich zwei streiten, haben beide Schuld."
Elternschonung (z.B. bei sexuellem Missbrauch): unbewusste Identifikation mit den Eltern als Autorität führt zu einer Identifikation und Solidarisierung mit den Tätern (oder auch einer gesellschaftlichen Ideologie; s. S. FREUD, der bekanntlich die Traumaätiologie aufgrund gesellschaftlicher Gründe aufgegeben hat ).
Traumaspezifische Rollen (im Rahmen des Übertragungs- und Gegenübertragungsgeschehens):
Das Trauma mit seiner Kernerfahrung von Hilflosigkeit, Angst und Verlassenheit mobilisiert bei der betroffenen Person häufig das sog. "Bindungsverhalten" (vgl. BRISCH, 1999) und dieses manifestiert sich als Sehnsucht nach einem Retter, der als allmächtige Gestalt idealisiert wird.
Die Übernahme der Retterrolle vs. des Therapeuten ist problematisch, weil dem Kl. indirekt die Fähigkeit abgesprochen wird, selbst zu handeln und für sich selbst adäquat zu sorgen. Die Autonomie des Kl. wird durch diese Rollenübernahme beeinträchtigt, was letztlich eine Grenzverletzung darstellt und derart den Retter zum Täter werden lässt.
Die unbewusste Motivation zur Übernahme der Retterrolle liegt häufig auch in der Abwehr von Hilflosigkeit und Ohnmacht durch Grandiosität und Allmacht.
Die Beziehungsdynamik bedingt, dass der Retter bekämpft wird, weil man von ihm abhängig ist und ihn nicht dauerhaft beanspruchen und kontrollieren kann. Der Idealisierung wird er letztendlich nicht gerecht, er enttäuscht und macht wütend. Zusätzlich wird die Wut, die ursprünglich dem Täter galt, auf den Retter übertragen. Diese und andere Prozesse lassen den Retter aus der Sicht des Opfers immer wieder zum Täter werden.
In der therapeutischen Beziehungsdynamik kommt der Therapeut auch manchmal in die Rolle des Opfers: über psychische Mechanismen wie Projektion, projektive Identifizierung, Identifikation mit dem Aggressor sowie mangelnder Objektspaltung und Delegation vs. des Kl. erlebt der Therapeut das, was der Kl. als Opfer erlebt hat: Ohnmacht, Hilflosigkeit und Angst. Angst kann über die sog. sekundäre Traumatisierung induziert werden oder auch über das Verhalten des Kl. (z.B.: permanente Suiziddrohungen). Wenn der Therapeut sich mit dem Opfer identifiziert, kann Ohnmacht und Hilflosigkeit die Gestalt von therapeutischem Nihilismus annehmen (Therapeut verliert den Glauben an die Sinnhaftigkeit seines therapeutischen Handelns).
Verkompliziert wird die traumatische "Beziehungstrias" (Opfer, Retter, Täter) durch den Aspekt der Zeugenrolle:
Die Zeugenrolle impliziert immer die grundsätzliche Möglichkeit der Identifikation mit der Opferrolle und der Täterrolle (was einmal Ohnmacht und Angst, das andere Mal Konfrontation mit - eigenen unbewussten? - sadistischen Impulsen bedeutet und möglicherweise paranoide Angst vor Racheimpulsen des Opfers schürt). Als affektive Komplikation im Sinne der Gegenübertragung sei hier - analog dem Überlebensschuldgefühl - das Schuldgefühl des Zeugen angeführt.
Diesem verwirrenden Geflecht von manifesten und latenten Rollenzuschreibungen bzw. komplementären Rollenübernahmen ist im Rahmen einer Traumatherapie Rechnung zu tragen.
Die therapeutische Grundhaltung, wie sie im Rahmen einer Traumatherapie erforderlich ist, wird m.E. am besten mit dem Begriff "parteiliche Abstinenz" wiedergegeben (vgl.: FISCHER u. RIEDESSER, 1998). "Parteilich" meint, dass der Therapeut eindeutig auf der Seite des Opfers steht, "Abstinenz" meint eine Haltung, die eigene Bedürfnisse des Therapeuten aus der Beziehung heraushält (z.B. das narzisstische Bedürfnis des Therapeuten vom Klienten als Retter anerkannt zu werden).
HERMAN (1998, S. 186) spricht von der Notwendigkeit der Übernahme einer "engagierten, moralischen Position" von seiten des Therapeuten und verweist auf den Aspekt der Retraumatisierung einer neutralen Position des Therapeuten.
Die verschiedenen traumatherapeutischen Ansätze haben gemeinsam, dass sie Traumatherapie grundsätzlich im Rahmen von drei Phasen durchführen (vgl. HERMAN, 1998; van der KOLK et.al., 2000; FISCHER u. RIEDESSER, 1998):
EMDR als Behandlungsansatz orientiert sich in seinem Gesamtbehandlungsplan ebenfalls an diesen drei Phasen, wobei diese Phasen gesehen werden können im Zusammenhang mit der Gesamtbehandlung, einer bestimmte Episode im Rahmen einer Behandlung aber auch für einzelne Behandlungsstunden.
Hinsichtlich der therapeutischen Beziehung stellen diese Phasen jeweils ein konstituierendes Element dar.
Die therapeutische Haltung in der Stabilisierungsphase etwa ist gekennzeichnet durch Stützung, Fürsorge, Sicherheit und Schutz, sie ist dem Aufbau von Vertrauen gewidmet usf. In der Bearbeitungsphase wiederum ist ein konfrontierendes Verhalten des Therapeuten kennzeichnend. In der dritten, der Integrationsphase kommt dem Therapeuten die Aufgabe zu, Hilfestellung zu bieten beim Integrieren des Traumas, dem Aufbau neuer Lebensziele und dem grundsätzlichen Anknüpfen an den prätraumatischen Lebensentwurf.
Der Beziehungsaspekt in der EMDR-Behandlung lässt sich verdeutlichen durch Fokussierung des EMDR-spezifischen Arbeitsbündnisses, das die Rahmenbedingungen für die EMDR-Behandlung darstellt und des weiteren an den expliziten und impliziten Beziehungsaspekten des EMDR-Standard-Protokolls.
(Arbeitsbündnis)
Es gehört zum EMDR-Behandlungsplan, dass zu Beginn der Therapie der Klient medizinisch, sozial und psychologisch stabilisiert ist bzw. stabilisiert wird (Stabilisierungsphase). Anamnese, Aufbau einer stabilen und tragfähigen Beziehung sowie Vorbereitung auf die Trauma-Bearbeitungsphase sind erste Ziele dieses Behandlungsabschnittes (Sicherung des bio-psycho-sozialen, ökologischen Kontextes).
Zur Etablierung des Arbeitsbündnisses gehören:
a) eine therapeutische Allianz, die im Erarbeiten gemeinsamer therapeutischer Ziele besteht
b) Einigung über die Notwendigkeit ehrlicher Kommunikation (besonders bedeutsam in der Bewertungsphase)
c) Transparenz des Therapieplanes und des therapeutischen Vorgehens: Erklärung der Methode in ihrer Wirkweise und in ihrem Ablauf (wichtig in Hinblick auf Vorhersehbarkeit und Kontrolle als therapeutisches Element)
d) Information (z.B. zum Trauma allgemein, zu allen Fragen, die den Kl. beschäftigen)
e) Kl. soll mit all seinen Bedenken, Ängsten und Zweifeln ernstgenommen werden; Klärung derselben
f) die ausdrückliche Bereitschaft und Zustimmung des Kl. zur EMDR-Arbeit muss gegeben sein (und möglicherweise erst erarbeitet werden)
g) allgemein sollte das Klima in der therapeutischen Beziehung geprägt sein von Sicherheit, Geborgenheit, Verständnis und Respekt (auch für die Individualität des Kl.) sowie von bedingungsloser Unterstützung des Klienten, sodass der Kl. Vertrauen aufbauen kann.
In der linken Spalte der folgenden Tabelle 2 werden die einzelnen Positionen im Verlauf des EMDR-Standardprotokolls angeführt. In der mittleren Spalte findet sich ein kurzer Kommentar zur psychologischen Implikation dieser Protokoll-Position; die rechte Spalte bezieht sich auf die Aspekte des Traumaschemas, die von der jeweiligen Protokoll-Position berührt werden (vgl. dazu auch Tabelle 1).
Tabelle 2: Kommentar zu Protokoll-Positionen (PP)
Protokoll-Position (PP) | Traumatherapeutischer Aspekt | Traumaschema |
---|---|---|
PP(0): Vorbereitung: Stopp-Signal, Klärung der Art von Stimulation | Th. respektiert Grenze und Individualität | 2,3,4,7,14,15,18 |
PP(1): Thema | Kl. bestimmt, wann er mit wem wie welches Thema bearbeitet | 2,3,4,7,14 |
PP(2): Bild | hat konfrontierenden, triggernden Charakter; Kl. muss jedoch nicht alle Details erzählen | 1,2,3,17 |
PP(3): NK | Th. ist konfrontierend (jedoch mit dem Erlebnisinhalt des Kl. und nicht mit der Sichtweise des Th. wie bei einer Interpretation); Th. elizitiert mit viel Geduld und Empathie die NK - fördert so Selbstwahrnehmung des Kl.; NK beinhaltet eine Selbstmitteilung des Kl. | 1,3,15,16,17 |
PP(4): PK | Th. weckt Ressourcen sowie eine Zielperspektive und Hoffnung | 1,2,3,9,15,16,17
Anm.: wenn PK voll zutreffend, sind viele Aspekte des Traumaschemas positiv betroffen |
PP(5): VOC | s. PP(3) | 15,16,17 |
PP(6): Gefühl | s. PP(3) | 15,17 |
PP(7): SUD | s. PP(3) | 17 |
PP(8): Körperlok. | konfrontierend, triggernd
fördert Selbstwahrnehmung |
1,3,8, 10,11,17 |
PP(9): Reprozess. | Th. ist konfrontierend und stabilisierend; Th. hält aus, erschrickt nicht, ermutigt zum Durchhalten, vermittelt Sicherheit und Vertrauen in die Fähigkeit des Kl., durchzuhalten; akzeptiert und bestätigt die Bedeutsamkeit all seines inneren Erlebens und nimmt alles wertfrei auf
Verlaufsformen: Blockaden: Th. hilft, Prozess in Gang zu bringen Abreaktion: Th. vermittelt Sicherheit und Halt; vermittelt Glauben an seine Durchhaltefähigkeit; er ist empathisch ohne selbst mitgeschwemmt zu werden oder andere problematische Reaktionen zu zeigen Überflutung: Th. hat protektive Funktion, vermittelt Schutz und Grenze Kreiseln: stellt adäquate Information zur Verfügung, die Prozess wieder in Gang bringt |
betrifft grundsätzlich alle Aspekte des Traumaschemas
1, 2, 3 12, 13, 14 |
PP(10): Verankerung | O/7 - Ziel als Zeichen der Wertschätzung | berührt gesamtes Traumaschema |
PP(11): bodyscan | s. PP(8) | 10,11 |
PP(12): Überprüfung | Th. vermittelt Kontinuität in seinem Handeln | 4 |
Tabelle 3: Zuordnung der Protokoll-Positionen (PP) im Traumaschema
Traumaschema | Therapeutisches (Beziehungs-) Ziel | Traumatherapeutische Aspekte des Protokolls | |
---|---|---|---|
Autonomie | |||
1 | Opfer | Survivor | PP: (4), (8), (2), (3), (9) |
2 | Regulationsstörung bzgl. Nähe und Distanz | Selbstbestimmung bzgl. Grenzen | PP: (0), (1),(2), (4), (9) |
3 | Überforderung der subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten | Kompetenz, Ressourcen | PP: (0), (1), (2), (3), (4), (8), (9) |
Erfahrung | |||
4 | Willkür | Zuverlässigkeit, Vorhersagbarkeit | PP: (0), (1), (12) |
5 | Dissoziatives Erleben | Assoziation, Integration | R (antidissoz.) |
Gedächtnis | |||
6 | implizites Ged. | explizites Ged. | R (narrativ) |
Symptomtrias | |||
7 | Intrusion | Integration, Dosierung, Distanzierung | PP: (0), (1) |
8 | Konstriktion | Kontakt mit Erleben | PP: (8) |
9 | Arousal (psych. veg. Bereitstellung) | in Gegenwart leben | PP: (4) |
Körpererleben | |||
10 | Körperentfremdung | im Körper zu Hause, Körpervertrauen | R; PP: (8) |
11 | Körper als Objekt (von Projektionen u.a.m.) | Körper als Sphäre des Selbst | R; PP: (8) |
Kognitive Schemata | |||
12 | Schulderleben | Fremdverantwortung | PP: (9) |
13 | Angst | Sicherheit | PP: (9) |
14 | Ohnmacht | Entscheidungsfreiheit | PP: (0), (1), (9) |
15 | Misstrauen in Mensch und Welt | Vertrauen | PP. (0), (3), (4), (5), (6) |
16 | negatives Selbstbild | adäquates Selbstbild | PP: (3), (4), (5) |
Sozialer Bereich | |||
17 | Isolation | Beziehung | PP: (2), (3), (4), (5), (6), (7) |
18 | Misstrauen | Vertrauen | PP: (0) |
Hat EMDR (als traumatherapeutische Methode) ein spezifisches, d.h. die Methode charakterisierendes Ziel in Hinblick auf die therapeutische Beziehung?
Das therapeutische Kernelement von EMDR ist die Reprozessierung mit dem Ziel der inneren Informationsverarbeitung; diese ist "nicht das Resultat der Interaktion der Klientin mit dem Therapeuten und auch nicht der Interpretation des Geschehens durch den Therapeuten" (SHAPIRO, 1998, S. 173).
EMDR nimmt zwar Übertragung, Gegenübertragung u.a. Beziehungsprozesse wahr, reflektiert und berücksichtigt diese in der Behandlung, jedoch besteht das Anliegen des EMDR-Therapeuten darin, sich in diese Beziehungsprozessen möglichst nicht einbinden zu lassen und im Gegenzug die innere Verarbeitung entsprechender Phänomene zu ermöglichen.
Das Arbeitsbündnis mit seinen klaren Zielen, Grenzen und Regeln sowie das Anpeilen der inneren Verarbeitung im Rahmen der Reprozessierung, die ihrerseits ein klientenzentrierter Prozess ist, schützt vor einem übermäßigen Einbezogenwerden in eine potentielle traumaspezifische Beziehungsdynamik (Opfer - Täter - Retter - Trias).
Die therapeutische Beziehung garantiert die Rahmenbedingungen, die die eigentliche Traumaverarbeitung ermöglichen, d.h. sie ist unabdingbare Voraussetzung derselben.
Darüber hinaus impliziert die Haltung des Therapeuten therapeutische Wirkfaktoren, die in einem unmittelbaren Verhältnis zum Traumaschema stehen (Anm: die therapeutische Haltung steht nicht in einem polaren oder komplementären Verhältnis zum Traumaschema!).
Diese Haltung des Therapeuten (Grenzen respektieren und etablieren; protektive Funktionen ausüben; Autonomie und Individualität fördern; Kontrolle ermöglichen; Stütze bieten; Konfrontation ermöglichen usf.) wird vom Kl. als Beziehungserfahrung internalisiert und als unspezifischer Beziehungsfaktor zusätzlich zum eigentlichen therapeutischen Medium (Reprozessierung) wirksam (siehe Tab. 2 und 3).
Die Aufgabe des Therapeuten im Rahmen des Beziehungsgeschehens einer EMDR-Behandlung lässt sich aus meiner Sicht wie folgt zusammenfassend charakterisieren:
Der Therapeut ist Facilitator, der beim Aufbau von Rahmenbedingungen hilfreich ist, die die Verarbeitung und Integration des Traumas ermöglichen. Der Therapeut ist gleichsam personalisierte Rahmenbedingung für Traumaverarbeitung.
Er hilft als Facilitator, die Fesseln der Vergangenheit zu lösen und den Weg in die Gegenwart zu beschreiten.
Der EMDR-Therapeut hilft als Facilitator, die Individuation des Klienten fortzusetzen und den Faden des prätraumatischen (oder persönlichkeitsimmanenten) Lebensentwurfes wieder aufzunehmen.
Als Zeuge der Geschichte des Opfers hilft er diesem, auf dem Weg vom Opfer zum Survivor sein persönliches Narrativ zu finden.
BRISCH, K.H. (1999): Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Kindler, Stuttgart
FISCHER, G. u. RIEDESSER, P. (1998): Lehrbuch der Psychotraumatologie. Reinhardt, München
GRAWE, K. , DONATI, R., BERNAUER, F. (1994): Psychotherapie im Wandel. Hogrefe, Göttingen
HERMAN, J.L. (1998): Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden. Kindler, München
van der B. KOLK, B., MCFARLANE, A.C., WEISAETH, L. (Hrsg) (2000): Traumatic Stress. Grundlagen und Behandlungsansätze. Theorie, Praxis und Forschungen zu posttraumatischem Stress sowie Traumatherapie. Junfermann, Paderborn
SHAPIRO, F. (1998): EMDR - Grundlagen und Praxis. Handbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen. Junfermann, Paderborn
SOLOMON, R. M. (1999): Utilization of EMDR in Crisis Intervention. EMDRIA Newsletter, Vol 4, Issue 3
Kurt Arnezeder, Dr. phil.
Klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe
Supervisor
EMDR-Consultant
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