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Alle Rechte beim Institut für Traumatherapie Oliver Schubbe bzw. beim Autor.
übersetzt von Christian Knorr aus David Grand, Defining and Redefining EMDR, Part III, BIOLATERAL BOOKS,1999.
Wie kann EMDR in psychodynamische Konzepte und Behandlungen integriert werden?
EMDR wurde ursprünglich aus Theorien und Denkansätzen der kognitiven Verhaltenstherapie entwickelt, und wurde anfangs fast ausschließlich von Verhaltenstherapeuten angewandt. Aus diesem Grund blieben die Bedeutung psychodynamischer Konzepte und deren potentielle Anwendung bei EMDR lange unbemerkt.
Dennoch beschrieb Dr. Francine Shapiro das Konzept als 'synclectic' (synthesized eclectic), womit sie die analytischen Aspekte von EMDR anerkannte. Es sind dies Folgende: die Bedeutung der Erinnerungen der frühen Kindheit, das Unbewusste, die freie Assoziation, Einsicht, Katharsis, Abreaktion und Symbolisierung (Shapiro, 1995 [dt. 1998]).
Auf der einen Seite kommt ein psychodynamisch ausgerichteter Therapeut, der EMDR in seine Technik integriert, nicht daran vorbei, den Sinn und Wert vieler verhaltenstherapeutischer Ideen und Techniken anzuerkennen. Auf der anderen Seite kann ein Verhaltenstherapeut entdecken, dass die Anwendung von EMDR ihm die geheimnisvolle und dunkle Welt eröffnet, die dem Analytiker so vertraut ist. Es kann also gesagt werden, dass EMDR am Zusammenfluss zweier Ströme des Denkens liegt.
Um der Klarheit willen erscheint es mir wichtig, einige Ausdrücke zu definieren, weil sie oft in unterschiedlicher Weise angewandt werden. In diesem Text wird psychodynamisch, psychoanalytisch und analytisch bedeutungsgleich verwendet.
Es muss angemerkt werden, dass der Ausdruck Psychoanalyse hier nicht nur die Behandlungsmethode von Freud bezeichnet, sondern sich auf den ganzen Kosmos des Wissens bezieht, den er in seinem Leben entwickelt und weiterentwickelt hat, und ebenso die moderneren Theorien der Entwicklungspsychologie (Ich-Psychologie sowie die Theorien zur Individuation / Separation) und die Selbst-Psychologie.
Später in seinem Leben erkannte Freud die Grenzen der Behandlungsmethode, die er über viele Jahre entwickelt und verfeinert hatte. Er gestand die Notwendigkeit zu, "das pure Gold der Psychoanalyse zu legieren", indem er sein Behandlungsmodell modifizierte (Freud, 1919).
Freud schrieb sogar über beeindruckende zeitliche Begrenzungen der Therapien in seinem 1937 erschienenen Werk: "Die endliche und die unendliche Analyse". Obwohl auch EMDR am effektivsten ist, wenn man das gesamte Protokoll anwendet, kann man gelegentlich mit Modifikationen der Technik experimentieren, die das pure Gold des Protokolls legieren.
EMDR kann auf zwei Arten in eine langdauernde, einsichtsorientierte Behandlung integriert werden. Die erste ist die, das gesamte Protokoll anzuwenden beim Auftreten von traumatischem Material oder wenn die Therapie festgefahren ist und nicht weiterkommt.
Die zweite Möglichkeit der Anwendung ist, wenn Material auftaucht, das erfahrungsgemäß auf EMDR reagiert, wie verzerrte negative Überzeugungen ("Ich mache nie etwas richtig" - "mein Leben ist vollkommen wertlos"), oder es können auch positive Überzeugungen installiert werden ("ich bin nicht verantwortlich" - "ich bin wertvoll"). In diesen Situationen kann man sagen: "Wollen Sie das prozessieren?" So entsteht eine bestimmte, klare Vereinbarung, die der Patient versteht, um die Technik umgehend anzuwenden.
Einige Parallelen zwischen EMDR und analytischer Therapie
EMDR hat viele Gemeinsamkeiten mit der analytischen Herangehensweise. EMDR richtet sich intensiv auf die intrapsychischen Mechanismen des Individuums: Affekt, Kognition (Erkenntnis), Träume, Phantasien, unterdrückte Erinnerungen, Somatisierung, unbewusste Abwehrmechanismen, Konflikte, Selbstwahrnehmung und frühe Objektbeziehungen.
Mit Hilfe von EMDR ist es leichter, Patienten zu behandeln, die blockiert sind, die sich nur langsam verändern, oder die unfähig sind, intellektuelles in gefühlsmäßiges Verstehen zu verwandeln. Genau wie der analytische Therapeut muss auch der EMDR-Therapeut zugewandt, empfindsam, rational, verständnisvoll und respektvoll sein.
Wenn ein psychodynamischer Therapeut keine Erfahrung mit EMDR hat, kann er Patienten, die er wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung oder Kindheitstraumata in Behandlung hat, zur zusätzlichen Behandlung an einen EMDR-Therapeuten überweisen, z. B. um den Behandlungsprozess zu beschleunigen.
Menschen, die eine Psychoanalyse beendet haben, oft selbst Therapeuten, können eine EMDR-Behandlung anschließen, um ungeklärte Fragen oder Probleme zu lösen, besonders bevor sie eine zweite Analyse in Betracht ziehen. Menschen, die analysiert worden sind, sind üblicherweise hochempfindlich für EMDR, fast als ob ihr Gehirn auf effektives Prozessieren vorbereitet wäre.
Eine beeindruckende Parallele zwischen der analytischen Methode und EMDR ist die Verwendung der freien Assoziation. Der Patient wird während der EMDR-Sitzung angehalten, zu beobachten und zu berichten, was er wahrnimmt: Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen, die während jeder Serie von Augenbewegungen auftreten.
Im EMDR-Prozess jedoch wird von allen langen Diskussionen dieser Assoziationen abgeraten, da sie den Fortschritt des Prozesses behindern. In der analytischen Therapie wird die freie Assoziation angewandt, um die verborgenen oder symbolischen Bedeutungen der Träume, Deckerinnerungen oder Fehlleistungen (Versprecher, Verlegen von Objekten usw.) aufzudecken. Wenn Material dieser Art in der Sitzung auftaucht, wird der Patient angehalten, anstatt dazu zu assoziieren, es zu prozessieren.
Dies ist eine sehr zuverlässige und wirksame Möglichkeit, dem Patienten die Wirkungen seines Unbewussten verständlich zu machen. Ich habe auch immer wieder festgestellt, dass EMDR den Prozess des Assoziierens dramatisch beschleunigt, beinahe als ob man ein Tonband auf schnellen Vorlauf stellt, was als beschleunigtes Assoziieren beschrieben werden kann.
Die therapeutische Arbeit wird oft dadurch behindert, dass Einsicht lediglich zu intellektuellem Verstehen führt, und das dieses nur schwer oder gar nicht zu gefühlsmäßigen Veränderungen führt. Mit EMDR gelingt es häufig äußerst effektiv, die Lücke zwischen dem rationalen und dem gefühlsmäßigen Bereich zu schließen.
Dies wirft die folgende Frage auf: Welche Rolle spielt das Ich im EMDR-Prozess? Und: Aktiviert EMDR das Ich oder arbeitet es am Ich vorbei? Diese Fragen müssen gut bedacht und erforscht werden. Der EMDR-Prozess aktiviert, obwohl er jenseits der bewussten und willentlichen Kontrolle des Patienten arbeitet, verschiedene Ich-Funktionen.
Universale Nebenprodukte von EMDR sind eine erweiterte Perspektive, erweiterte Einsichten und ein erweitertes Selbst-Verständnis. Auf diese Weise werden auch die Ich-Funktionen der Wahrnehmung der äußeren Realität, der Selbst-Wahrnehmung und der Synthese der äußeren und inneren Realität, verbessert.
Es gibt interessante Parallelen zwischen der analytischen Technik der Deutung und dem kognitiven Einweben des EMDR. Beide zielen darauf hin, Patienten zu unterstützen, die nicht mehr in der Lage sind, den natürlichen Fluss des Behandlungsprozesses aufrecht zu erhalten.
Beim EMDR ist das Einweben notwendig, wenn bei Patienten komplizierte pathologische Mechanismen auftauchen, die endlose Schleifen bilden, blockieren, oder wenn sie durch negative Selbst-Überzeugungen gehemmt werden. Die Strategie kann bei jedem Patienten angewandt werden, dessen Prozess blockiert ist.
Die analytische Deutung wird angewandt, um den Prozess, das Unbewusste bewusst zu machen, zu erleichtern. Der richtige Zeitpunkt ist für eine erfolgreiche Deutung wesentlich, und er wird dadurch bestimmt, dass er Material anspricht, das an der Schwelle steht, zum Bewusstsein durchzubrechen.