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Alle Rechte beim Institut für Traumatherapie Oliver Schubbe bzw. beim Autor.
auch erschienen in: Zobel, M. (Hg.), Traumatherapie - Eine Einführung. Bonn 2006, S. 86-111
Eine Ärztin gewinnt einen verlorenen Teil ihrer Biografie zurück; ein Mann kann nach einer Geiselnahme wieder Sicherheit erleben; eine Bäckersfrau drückt den stummen Schrecken über den KZ-Tod ihrer Großeltern zum ersten Mal mit Pinsel und Farbe aus. Solche Momente geben mir das Gefühl, von meinen Klienten ganz viel zurückzubekommen. Sie rücken die Perspektive zurecht und geben den Blick auf das Wesentliche frei. Seit ich EMDR einsetze, sind sie viel häufiger.
Unter Fachleuten steht EMDR für "Eye-Movement Desensitization and Reprocessing", unter Klienten auch für "einmal musst du ran", in jedem Fall aber für eine psychotherapeutische Zusatzmethode zur geschützten Verarbeitung traumatischer Erfahrungen.
EMDR besteht aus den acht Phasen nach Francine Shapiro. Die beiden ersten und letzten entsprechen dem in der Traumatherapie üblichen Vorgehen, während die Schritte drei bis sechs eine typische EMDR-Sitzung ausmachen. Am Anfang stehen wie üblich Anamnese und Behandlungsplanung (erste Phase). Nach den Leitlinien zur Behandlung posttraumatischer Störungen (Flatten u.a. 2001) gehört an den Anfang außerdem eine Phase der inneren und äußeren Stabilisierung (zweite Phase). Erst danach folgen die EMDR-Sitzungen im engeren Sinne, bestehend aus der Anfangseinschätzung der Symptomatik (dritte Phase), der zentralen (vierten) Phase der Neuverarbeitung, der Verankerung des erreichten Zustandes (fünfte Phase) und der Prüfung der Restbelastung auf Körperebene - kurz: Körpertest (sechste Phase). Wie in jeder traumatherapeutischen Arbeit wird bei EMDR besonderer Wert auf einen guten Abschluss der Sitzung gelegt (siebte Phase). Und ob die mit EMDR erreichte Veränderung stabil geblieben ist, wird zu Beginn der Folgesitzung überprüft (achte Phase).
Es wird nun die Arbeit mit drei Klienten beschrieben, einer Augenärztin, einem Top-Manager und einer Bäckereiangestellten. Die unterschiedlichen Fälle illustrieren in verschiedenen Facetten, wie ich die Phasen von EMDR in therapeutisches Handeln umsetze. Namen und Details habe ich zum Schutz der Klienten geändert.
Zur Anamnese gehört eine Einschätzung der inneren und äußeren Ressourcen, ein Überblick über die prätraumatische Vorgeschichte und traumatischen Ereignisse und eine Erhebung des klinischen Gesamtbildes. Für die Behandlungsplanung werden die Therapieziele bestimmt, das indizierte Vorgehen gewählt, und vor dem Einsatz von EMDR werden die geplanten Sitzungsthemen in eine vorläufige Reihenfolge gebracht.
Es hat sich für mich bewährt, spätestens in der zweiten Hälfte des Erstgesprächs eine Ressourcenanamnese zu erheben und Copingfragen zu stellen: Welche Fähigkeiten haben Ihnen geholfen, die belastenden Erfahrungen zu überleben oder gar zu bewältigen? Welche Stärken mussten Sie notgedrungen entwickeln? Wie haben Sie es bis zur Therapie geschafft, mit den Symptomen zu leben? Was gibt Ihnen die Zuversicht und Kraft für die Therapie? Copingfragen zu traumatisierenden Situationen in der Vergangenheit sind Schlüssel zum Verständnis von Symptomen, denn adaptives Coping in Extremsituationen ist für den Alltag meist so maladaptiv wie das Tragen einer Taucherausrüstung zum Fernsehen.
Viele heute pathologisch erscheinende Symptome waren in ihrem Ursprung spontane Überlebensimpulse, innovative Lösungsansätze oder Durchhaltestrategien. Ihre Funktion muss erkannt und durch bessere Alternativen ersetzt werden, bevor der Versuch Erfolg haben kann, sie zu beseitigen. In der Traumatherapie geht es nicht allein um die Nachverarbeitung von Information, sondern immer auch um die Reintegration nicht mehr verfügbarer Ressourcen, die durch das Trauma blockiert oder in Überlebensstrategien und Reinszenierungen traumatischer Verhaltensmuster gebunden sind.
Der therapeutische Blick auf die Ressourcen vermittelt Klienten zusätzlich die Botschaft, eine gute menschliche Behandlung verdient zu haben; und das macht es Klienten leichter, die therapeutische Beziehung von der traumatischen zu unterscheiden, selbst wenn es sich in der Therapie genau wie in der traumatischen Situation um eine emotional bedeutsame Abhängigkeitsbeziehung zu einem Erwachsenen handelt.
Im Rahmen der Anamnese ist es zur Traumabehandlung erforderlich, sich einen Überblick über die traumatisierenden Ereignisse und die entsprechende zustandsspezifische Symptomatik zu verschaffen. In der ersten Sitzung ist jedoch noch keine Auseinandersetzung mit den traumatischen Erinnerungen angezeigt, weil eine verfrühte Konfrontation mit traumatischem Material zur Überflutung mit Erinnerungsbildern und entsprechenden emotionalen Zuständen führen kann. Eine unangemessene Exploration birgt sogar die Gefahr, die Symptomatik im Sinne einer Retraumatisierung anhaltend zu verschlimmern.
Deshalb soll die spezielle Traumaanamnese sehr strukturiert, zügig und sachbezogen durchgeführt werden. Es wird angekündigt, dass zum Zeitpunkt der Anamnese eine einfache Liste der traumatischen und außergewöhnlich belastenden Lebensereignisse erstellt wird, bei der zu jedem Ereignis nur ein Stichwort für das Ereignis und eine Zahl für das zugehörige Alter zu nennen sind. Wenn die Liste fertig gestellt ist, wird zu jedem Stichwort noch kurz nach einer Zahl für den Grad der Belastung zwischen 0 (kein) bis 10 (maximaler Belastungsgrad) erfragt.
Es ist nicht selten, dass dabei Widersprüche, Zeitsprünge oder Erinnerungslücken erkennbar werden. Es sollte notiert werden, ob dies der Fall ist. Zu jedem aktuellen Symptom sollte erfragt werden, wodurch es ausgelöst wird und wie Partner, Familie und Freunde darauf reagieren, um die aufrechterhaltende Dynamik zu verstehen. Aus der traumaspezifischen Befragung folgt die Diagnose nach den Kriterien von ICD-10 oder DSM-IV in Abgrenzung gegenüber akuten Belastungsreaktionen, Anpassungsstörungen und psychischen Vorerkrankungen. Aber Achtung: Auch Störungsbilder, die nicht alle Kriterien erfüllen (z.B. Intrusionen und Übererregungssymptome ohne Vermeidungsverhalten) können klinisch relevant sein.
Die häufigsten komorbiden Störungen sind Angststörungen, Depressionen, somatoforme Störungen, dissoziative Störungen, Suchterkrankungen, Substanzmissbrauch und Organerkrankungen, darunter vor allem körperliche Stressfolgeerkrankungen. Und umgekehrt sollte bei der Diagnose dieser Störungen auch immer eine Traumaanamnese durchgeführt werden, da eine PTBS sonst leicht übersehen wird. Ergänzend ist der Einsatz psychometrischer Verfahren sinnvoll (s.u.).
Fall 1: Frau Dr. Anderson, eine groß gewachsene und sehr wach wirkende Frau betritt meine Praxis. Sie hat über EMDR schon ein ganzes Buch gelesen und will damit gleich in der ersten Sitzung ihren Motorradunfall verarbeiten, der ihr, wie sie mir versichert, noch in den Knochen steckt. Ich fragte nach ihren persönlichen Daten und ihrem Beruf - Augenärztin - und bitte sie um ihr Verständnis, dass ich vor dem Einsatz eines Instrumentes wie EMDR zuerst eine Diagnose bräuchte.
Sie findet mit mir schnell eine gemeinsame Beziehungsebene, denn sie ist es, die uns sofort als Kollegen bezeichnet und mir einen relativ großen Vertrauensvorschuss gewährt, den ich mit Sorgfalt zur Kenntnis nehme. Ich kündige an, dass ich eine Liste der traumatischen oder sehr belastenden Lebensereignisse erstellen würde, um die Bedeutung ihres Motorradunfalls im biografischen Zusammenhang zu verstehen.
Zu jedem Ereignis notiere ich mir ein Stichwort und eine Zahl für das Alter. Am Schluss notiere ich rechts davon noch den Grad der mit jedem Punkt einhergehenden Belastung - zwischen 0 für keine und 10 für maximale Belastung.
Ereignis | Alter | Belastungsgrad |
Trennung der Eltern | 11 | 3 |
Trennung vom ersten Freund | 18 | 4 |
Skiunfall | 25 | 4 |
Motorradunfall | 38 | 10 |
Die Klientin berichtet, sie könne sich nur an Ereignisse nach dem 9. Lebensjahr erinnern, sie wisse aber, dass sie eine sehr behütete Kindheit gehabt habe. Seit dem Unfall traue sie sich nicht mehr auf die Straße, vor allem nicht bei dichtem Verkehr. Ihre berenteten Eltern kümmerten sich sehr um sie und begleiteten sie seit dem Unfall, wann immer es nötig sei. Da die Klientin seit dem Unfall viel seltener und dann meist nur in Begleitung aus dem Haus geht, gebe ich die Diagnose Agoraphobie F40.0 (ICD-10). Eine Posttraumatische Belastungsstörung schließe ich aus, weil Frau Dr. Anderson meinem ersten Eindruck nach an keinen sich aufdrängenden Erinnerungen leidet. EMDR halte ich für besonders indiziert, weil die Symptomatik durch den Motorradunfall ausgelöst wurde.
Traumaspezifische Testinstrumente helfen nicht nur bei der diagnostischen Einschätzung der Symptomatik. Im Therapieantrag stützen sie die Indikation eines traumaorientierten Vorgehens unter Verwendung von EMDR. Eine Verlaufsdiagnostik gibt Klienten und Therapeuten meist sehr nützliche Rückmeldungen. Und häufig bekommt die Dokumentation der Eingangsanamnese nachträglich juristische Bedeutung, und dann ganz besonders die Testdiagnostik vor Behandlungsbeginn.
Üblicherweise verwende ich zu Beginn wie auch zur Verlaufsdiagnostik und am Ende der Therapie die Impact of Event Scale (IES). Die Anwendung einschließlich der parallelen Auswertung erfordert nur zehn Minuten. Bei Hinweisen auf eine komplexe Traumatisierung oder zur Überprüfung der Diagnose setze ich außerdem den CAPS - Clinician-Administered PTSD Scale - ein (dt. Schnyder/Moergeli 2002; orig. Blake u.a. 1990, 1995), bei Hinweisen auf dissoziative Symptome den FDS - Fragebogen zu dissoziativen Symptomen (Freyberger u.a. 1999).
Mit der Impact of Event Scale - IES (Horowitz u.a. 1979; dt. Ferring/Filipp 1994) können anhand von 15 Fragen zwei typische Reaktionen auf Extremereignisse eingeschätzt werden: Intrusion (Überflutung mit Gedächtnisinhalten) und Vermeidung. Die Klienten werden aufgefordert, Angaben zur Intrusion und Vermeidung in Bezug auf ein konkretes Ereignis innerhalb der letzten sieben Tage zu machen.
Beispiel: | überhaupt nicht | selten | manchmal | oft |
Ich habe an das Ereignis denken müssen, obwohl ich es nicht wollte (Item 1). | ||||
zu verteilende Punktwerte pro Antwort | 0 | 1 | 3 | 5 |
Die IES wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und im Umfeld unterschiedlichster belastender Ereignisse eingesetzt (Ferring/Filipp 1994). Praktische Bedeutung erfährt dieses Instrument vor allem in der Therapieforschung und zur Bewertung des Verlaufs in der Traumatherapie.
Beim der CAPS handelt es sich um ein reliables und valides Instrument, das bei einfachen wie auch komplexen posttraumatischen Störungen hilft, die richtige Diagnose zu stellen. Der Fragebogen kann vom Klienten ausgefüllt oder vom Therapeuten vorgelesen werden. Der Test ermittelt Häufigkeit, Intensität und Auswirkungen der Belastung. Abschließend wird die Frequenz und Intensität von fünf typischen Begleitsymptomen der PTBS erfragt: Schuldgefühle wegen Handlungen und Unterlassungen, Überlebensschuld, Beeinträchtigung der bewussten Wahrnehmung der Umwelt, Derealisationserleben und Depersonalisationserleben.
Vor der Anwendung von EMDR ist es außerdem notwendig, die Symptomatik des Klienten auf dissoziative Symptome hin zu prüfen, d.h. auf Erfahrungen von Derealisation, Depersonalisation, fragmentierte Erinnerungen, dissoziative Amnesie, sehr regressive oder abgespaltene Ich-Zustände.
Fall 2: Beim ersten Telefonat bebt die tiefe Stimme von Herrn Braun vor Aufregung, er brauche möglichst bald einen Gesprächstermin. Er sei überfallen und mehrere Tage lang als Geisel festgehalten worden. Seither könne er kaum mehr schlafen, und er schrecke ständig hoch, wenn er angesprochen werde oder das Telefon klingle. Zu diesem Zeitpunkt liegt der Überfall fünf Wochen zurück. Noch am Telefon bestätige ich ihm, seine Symptome seien für die Erfahrung einer Geiselnahme ganz üblich und normal, und er könne am darauffolgenden Tag in meine Praxis kommen.
Beim ersten Gespräch sehe ich einerseits die stattliche Statur, den Maßanzug und die souveräne Ausstrahlung einer Führungspersönlichkeit und im Kontrast dazu seine schon beim ersten Händedruck zitternden und feuchten Hände und den wie Halt suchend unruhig auf mich gerichteten Blick. Er setzt sich nicht, ohne dazu von mir aufgefordert zu werden, aber noch im Stehen beschreibt er starke Symptome von Überflutung und Stress. Um zunächst bei der Einschätzung seiner Symptomatik zu bleiben, aber von den ihn offensichtlich sehr belastenden Erinnerungen wegzuführen, fülle ich mit ihm gleich zu Beginn die Impact of Event Scale aus. Das Ergebnis liegt im oberen klinischen Bereich und weist ebenso wie sein Verhalten und seine Beschwerden auf die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung hin.
M. Kitchur (2005) hat ein ausführliches Konzept zur Gestaltung der Phase 1 entworfen. Sie entwickelt die Ausgangsthemen für die nachfolgenden EMDR-Sitzungen direkt aus dem Genogramm, einer grafischen Darstellung des Familienstammbaums von den Großeltern bis zu den Enkeln, ihrer Beziehungen, Symptome, Süchte und traumatischer Erfahrungen. Die traumatischen Erfahrungen aller Familienmitglieder nummeriert sie in chronologischer Reihenfolge.
Jede EMDR-Sitzung beginnt mit der Fokussierung eines einzigen Ausgangsthemas (engl.: target), das auch kurz als Fokus bezeichnet wird. Während Schachweltmeister leicht an zehn Brettern gleichzeitig spielen, sind die meisten Klientinnen und Klienten von einer simultanen Verarbeitung mehrerer traumatischer Ereignisse überfordert. Bei mehreren simultanen Themen bestünde auch die Gefahr, dass die Behandlungszeit vorüber ist und noch kein Fokus zur Lösung geführt hat.
Sobald Klienten mehrere Therapiethemen anbieten, vor allem bei komplex traumatisierten Klienten, erleichtert eine anfängliche Sortierung der Ausgangsthemen die erdrückende Last, löst das verwirrte Knäuel aus roten Fäden und macht den Berg überschaubar, den der Klient vor sich sieht.
Während EMDR einerseits erfordert, dass das zu verarbeitende Material affektiv zugänglich ist, soll andererseits der Belastungsgrad des gewählten Themas immer höchstens so hoch sein, dass die Fähigkeit zur Affektregulation nicht überfordert wird (Affektregel). Demnach sind am Anfang der Behandlung für manche Klienten leichte Probethemen sinnvoll. Kohärente Erinnerungen werden vor fragmentierten bearbeitet (Kohärenzregel), die meist schwerer zugänglich sind und zu größeren Aufdeckungen führen. Die Reihenfolge der Sitzungsthemen ist auch bedeutsam, weil jedes traumatische Ereignis ein Auslöser für Erinnerungen an vorausgehende traumatische Ereignisse und jede Traumabearbeitung mit EMDR ein potenzieller Auslöser für noch nicht behandelte Traumata ist. Deshalb gibt es die nachgeordnete Chronologieregel, nach der die chronologische Reihenfolge der Ereignisse auch für die Behandlung gilt: Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft. Die Ausgangsthemen sollen also erst nach korrespondierendem Affekt, dann nach der Kohärenz und zuletzt nach der Chronologie der Ereignisse geordnet werden, immer aber nach dem Bedürfnis des Klienten und mit Hilfe der Intuition des Therapeuten.
Fall 3: Frau Grau erinnert sich nur mit Mühe an ihre Großeltern, weil der Vater ihrer Mutter im Zweiten Weltkrieg umgekommen und die Großmutter früh an Krebs gestorben ist. Die Spuren beider Großeltern väterlicherseits verlieren sich im KZ Sachsenhausen (1. Fokus). Der Vater verlor seine Eltern im Alter von sechs Jahren (2. Fokus), die Mutter mit acht bzw. zehn Jahren (3. & 4. Fokus). Zur Mutter erlebte die Klientin eine unsichere Bindung (5. Fokus). Der Vater war bei der nächtlichen Rückkehr aus der Kneipe so gewalttätig, dass die Klientin regelmäßig um ihr Leben fürchtete (6. Fokus). Von einem Freund der Familie wurde sie sexuell missbraucht (7. Fokus), aber sie konnte mit ihren Eltern nicht darüber sprechen (8. Fokus). Nach der Meisterprüfung als Bäckerin wollte sie einen eigenen Laden aufmachen, aber ihrem Vater zuliebe blieb sie im elterlichen Betrieb. Alle genannten Ereignisse vermerke ich im Genogramm, nummeriere sie in chronologischer Reihenfolge und erfrage jeweils den Belastungsgrad (0 keine, 10 maximale Belastung).
Sortierung der Ausgangsthemen für EMDR | Belastungsgrad |
1. Die Großeltern verschwinden im KZ Sachsenhausen | 7 |
2. Der Vater verliert seine Eltern mit 6 | 2 |
3. Die Mutter verliert ihren Vater mit 8 | 1 |
4. Die Mutter verliert ihre Mutter mit 10 | 6 |
5. Unsichere Bindung zur Mutter | 5 |
6. Vater ist betrunken gewalttätig | 10 |
7. Sexueller Missbrauch durch Freund der Familie | 8 |
8. Keine Hilfe durch die Eltern | 9 |
Ich bespreche mit Frau Grau, dass wir EMDR mit den (kohärenten) Erinnerungen von den belastenden Erzählungen der Mutter über den Tod ihres Vaters beginnen können, sobald sie stabil genug dafür sei.
Die therapeutische Beziehung zwischen Klient und Therapeut wird auf eine vertrauensvolle Basis gestellt, die Rollen und gegenseitigen Erwartungen werden geklärt. Entspannungs- und Distanzierungstechniken (insbesondere "Sicherer Ort") werden etabliert. Zur Vorbereitung von EMDR wird die Methode erklärt, der EMDR-Prozess anhand einer Metapher beschrieben und ein Stoppsignal vereinbart. Die Rechts-links-Stimulierung soll in einem möglichst positiven Kontext vermittelt werden. Wenn Klienten EMDR ausschließlich in Verbindung mit traumatischen Erinnerungen erleben würden, bräuchten wir uns nicht zu wundern, wenn sie im ungünstigsten Fall Angst vor der Methode entwickeln und EMDR (einmal musst du ran) als verschlüsselte Drohung hören würden.
Fall 1: Frau Dr. Anderson befindet sich mit mir im zweiten Teil der ersten Sitzung. Den EMDR-Prozess erkläre ich ihr mit der Metapher einer Zugfahrt, weil auch im EMDR-Prozess die Bilder, aber auch Gedanken und Gefühle, wie die Landschaft am Fenster eines Zuges vorüberziehen. Den Wunsch von Frau Dr. Anderson, in der ersten Sitzung mit EMDR zu beginnen, kann ich nur noch teilweise erfüllen. Ich gebe Frau Anderson nur einen ersten Eindruck von EMDR, ohne die traumatische Situation zu bearbeiten, um sie in einem positiven Zustand entlassen zu können. Ich stimme mit ihr die Art und Geschwindigkeit der Stimulierung ab und vermittle ihr das Stoppsignal: Durch Heben der Hand kann sie den EMDR-Prozess jederzeit unterbrechen und wenn sie will, zur folgenden Imagination eines sicheren Ortes überwechseln. Obwohl Frau Anderson die Sichere-Ort-Übung grundsätzlich schon kennt, entwickle ich mit ihr eine ganz individuelle Vorstellung von einem realen sicheren Ort, dessen Imagination ihr das Gefühl von Sicherheit vermittelt, und verbinde diesen Zustand bei ihr mit einer kurzen Serie Rechts-links-Stimulierungen. Sie denkt dabei an eine Bergwanderung auf Korsika und an eine Stelle mit Blick aufs Meer, und sie riecht die würzige Mischung aus frischer Meeresbrise und dem Duft von Kräutern. Am Ende der Sitzung bin ich froh, dass ich Frau Anderson einen positiven ersten Eindruck von EMDR vermitteln konnte. So wird die Stimulierung sie in weiteren Sitzungen wahrscheinlich eher an das sichere Gefühl als an die traumatische Situation erinnern.
Nach Y. Dolan (1991) ist es insbesondere bei Klienten mit Angst vor Kontrollverlust eine wirksame Form der Stabilisierung, mit einem konkreten Gegenstand als Symbol für die Sicherheit in der Gegenwart zu arbeiten. Die mit der Angst einhergehende Wachheit wird so zur Ressource, um die Aufmerksamkeit intensiv auf das Symbol richten zu können. Die Klientin oder der Klient wird angeleitet, die visuellen, akustischen und kinästhetischen Qualitäten des Gegenstandes zu beschreiben und den resultierenden Zustand zu genießen. Kleine symbolische Gegenstände bieten die Möglichkeit, sie wie ein Souvenir ständig bei sich tragen zu können, größere können hierzu fotografiert oder abgezeichnet werden.
Fall 2: In der Sitzung mit Herrn Braun geht es nun darum, die nach der Geiselnahme zurückgewonnene äußere Sicherheit auch wieder erfahrbar zu machen. Er erzählt, er habe sich zum Ziel gesetzt, möglichst bald an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren, weil er sich dort immer sicher gefühlt habe. Ich notiere mir die Arbeit als Ressource und bitte ihn, einen Gegenstand zu wählen, der für ihn für seine Arbeit steht und die Arbeit als sicheren Ort symbolisieren könnte. Da er an mehreren Orten arbeitet und viel unterwegs ist, erscheint ihm die Aufgabe schwer lösbar zu sein. Plötzlich strahlt sein Blick, und er sagt, er fahre einen Aston Martin Vanquish, er habe gleich vor der Tür geparkt, ob ich einen Blick aus dem Fenster werfen wolle. Wir stehen sofort auf, und ich öffne trotz der kühlen Frühlingstemperaturen das Fenster. Da steht das Auto, das James Bond ausgerechnet in der Folge "Stirb an einem anderen Tag" steuerte. Während ich überlege, ob "Ich bin Bond" den Kriterien für die Positive Kognition (PK) für die Arbeit mit EMDR entspricht oder nicht, erfahre ich etwas über sechs Liter Hubraum, 460 PS und 5,0 Sekunden von null auf hundert. Wir setzen uns wieder, und ich beginne, den nun mehr als deutlich ausgeprägten Zustand innerer Sicherheit bei Herrn Braun mit Rechts-links-Stimulierungen zu verankern. Da er einen Fernsehbericht über EMDR mit Augenbewegungen erwähnt, lade ich ihn ein, gleich mit den Augen den waagerechten Bewegungen meiner rechten Hand zu folgen. Dann bitte ich ihn zu beschreiben, wie sein Auto ihm auf den verschiedenen Sinnesebenen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt - optisch, akustisch, olfaktorisch, taktil und über den Bewegungssinn. Und jede einzelne Beschreibung kombiniere ich mit der Anleitung von bilateralen Augenbewegungen.
Ich beobachte, dass Herr Braun mit seinem Blick manchmal meiner Hand vorauseilt, also schneller als ich von rechts nach links geht. Ich halte es für möglich, dass er durch die damit ausgeübte Kontrolle sein Gefühl von Sicherheit kurzfristig verstärkt und lade ihn ausdrücklich ein, die Geschwindigkeit der Stimulierung zu steuern. Als wir am Ende der Sitzung den nächsten Termin vereinbaren, wirkt Herr Braun schon etwas entspannter als zu Beginn.
Wenn Klienten sich eigenständig trösten und beruhigen können, reicht die Fähigkeit zur Affektregulation für die Arbeit mit EMDR an dem entsprechenden Thema. Vor dem Hintergrund einer unsicheren Bindung und in der Folge früher Traumatisierungen ist diese Fähigkeit häufig so gering, dass die therapeutische Beziehung die Funktion bekommt, starke Affekte gemeinsam zu regulieren, ähnlich der Co-Regulation von Affekten zwischen Mutter und Kind, die dort dem Lernen der Affektregulation dient. Im Unterschied zur Eltern-Kind-Bindung ist es in der Therapie jedoch notwendig, dem Klienten ganz aktiv die Fähigkeit zu vermitteln, sich selbst zu trösten und zu beruhigen anstatt von der Therapeutin oder vom Therapeuten in dieser Hinsicht abhängig zu werden. Das Trainieren der Affektregulation benötigt meist mehrere Sitzungen, bevor EMDR eingesetzt werden kann, während das Prozessieren mit EMDR die Affektregulation dann systematisch weiter verbessert.
Fall 3: Frau Grau kommt sichtlich gebeugt in die zweite Sitzung. Das Gespräch über ihre Familie habe sie sehr beschäftigt und ihr eigentlich gar nicht gut getan. Die letzten drei Nächte sei sie von einem Serienalbtraum verfolgt worden, immer vom gleichen Traum von einem Gespensterschloss, außen schön, aber innen war die Hölle los. In diesem Schloss Schreckenstein wohnte ihre ganze Familie, aber alle seien wie tot, sie die einzige Lebende, und sie versuche, mit den Personen zu sprechen, aber niemand reagiere auf sie. Sie höre dann die Schreie ihrer Großeltern aus dem Keller, der mit Gaskammern ausgestattet ist, und wache dann schweißgebadet auf.
Ich erkläre Frau Grau die Körperressource, wie sie den Punkt im Körper findet, der sich am ruhigsten anfühlt, sowie die Screentechnik, wie sie innere Bilder auf einen äußeren Bildschirm projizieren, die Bilder dort modifizieren und schließlich gut tolerieren kann. Ich leite sie an, dies mit den Bildern des Albtraums zu tun, während sie ihre Körperressource spürt. Zum Schluss kommt Frau Grau von allein zum Bild ihrer Mutter und spürt eine Form von Verzweiflung, die sie mit einer Altersstufe von vier Jahren verbindet und kaum mehr aushält, aber schließlich zusammen mit dem Therapeuten und den gelernten Methoden wieder kontrolliert.
Wie die Klientin oder der Klient den Verlauf der Behandlung erlebt, ist entscheidend, nicht die Zufriedenheit des Therapeuten. Die Klientin ist es, die nach ihrer Einschätzung gefragt wird, und zwar zu Beginn und am Ende jeder EMDR-Sitzung.
Die Phase der Einschätzung vor dem Prozessieren hat außer dem Vorher-nachher-Vergleich auch die Funktion, einen Fokus für den Einstieg in den EMDR-Prozess zu schaffen und das unverarbeitete und deshalb noch sehr sinnesnah gespeicherte Erinnerungsmaterial zu aktivieren.
Die Anfangseinschätzung besteht aus einzelnen Teilschritten. Zuerst wird eine sinnliche Erinnerung an den schlimmsten Moment der Ausgangssituation erfragt. Dann wird eine belastende Negative Kognition (NK) und eine inhaltlich entgegengesetzte Positive Kognition (PK) ermittelt. Der Therapeut bittet den Klienten dann, die Stimmigkeit der Positiven Kognition (VoC) auf einer Skala von "1 = völlig falsch" bis "7 = völlig zutreffend" einzuschätzen. Die belastenden Gefühle und der Grad der Belastung (SUD) werden von "0 = neutral" bis "10 = schlimmster Zustand" eingestuft. Die bei dieser Belastung auftretenden Körperempfindungen werden beschrieben und lokalisiert.
Fall 1: Frau Dr. Anderson kommt hoch motiviert zu ihrer zweiten EMDR-Sitzung. Im Gespräch wählen wir die Szene am Ort ihres Motorradunfalls zum Ausgangsthema für diese Sitzung. Im EMDR-Protokoll befinden wir uns in Phase 3, der Einschätzung vor dem Prozessieren. Ich frage: "Was ist die schlimmste sinnliche Erinnerung, die auftaucht, wenn Sie an den Unfall denken?" "Die Scheinwerfer", antwortet sie, "Es war ja dunkel, über mir war eine helle Straßenlaterne, und die Autos standen mit den Scheinwerfern zu mir".
Traumatische Erinnerungen hinterlassen meist auch Spuren auf der kognitiven Ebene in Form von belastenden Überzeugungen, die immer wieder mit der Erinnerung zusammen auftauchen, ohne aktuell noch zuzutreffen.
Fall 2: Ich frage Herrn Braun: "Wenn Sie sich an den schlimmsten Moment des Überfalls durch die Geiselnehmer erinnern, welche Gedanken sind damit verbunden?" - "Es ist aus", kommt die Antwort, nach der ich weiter nach einer Positiven Kognition frage: "Was möchten Sie stattdessen heute lieber über sich denken?" - "Es ist vorüber." Dies ist eine sinnvolle Positive Kognition, wenn sie meint, dass die Bedrohung vorüber ist - im Gegenteil zur NK, die bedeutet, dass das Leben vorbei ist. "Und wie stimmig ist der Satz 'Es ist vorbei' für Sie im Moment? Zwischen eins für gar nicht und sieben für ganz stimmig?" - "Zwei", antwortet Herr Braun. Ich weiß, dass ich bei einem positiven Thema die Sitzung ohne Risiko für den Klienten beenden kann, also auch bei der PK. Aber ich habe noch genug Zeit, also frage ich: "Und mit welcher Emotion ist diese Erinnerung für Sie verbunden?" - "Mit Angst, Todesangst." - "Und wie belastend empfinden Sie diese Angst zwischen null, gar nicht, und zehn, maximal?" Herr Braun schätzt den Belastungsgrad auf zehn ein, maximal. Im Gesicht ist ein leises Zittern zu erkennen. Ich frage: "Und wo spüren Sie das im Körper?" - "Am ganzen Körper, aber besonders schnürt es mir die Kehle zu", sagt Herr Braun. Ich weiß, dass ich ihn nicht in diesem Zustand lassen, sondern gleich mit dem Prozessieren beginnen sollte.
Der EMDR-Prozess unterscheidet sich von jeder anderen Form freien Assoziierens durch die systematische Fokussierung der Aufmerksamkeit auf einen Moment der inneren Wahrnehmung auf allen Ebenen: der erzählbare Teil der Ausgangssituation, die sinnliche Repräsentation des schlimmsten Moments, die Generalisierung auf kognitiver Ebene, Qualität und Quantität der emotionalen Belastung und zuletzt die Reaktionen auf Körperebene. Der erzählbare Teil bildet den Einstieg, die Körperebene führt als die tiefste Ebene der inneren Wahrnehmung gezielt in den EMDR-Prozess, der zusätzlich mit der Nennung von Ausgangsbild und NK angestoßen wird (s. Abb.).
Abbildung: Ablauf einer EMDR-Sitzung
Fall 3: Mit Frau Grau waren wider Erwarten nur vier Sitzungen zur Stabilisierung und zum Training der Affektregulation nötig. Sie hat sich so gut auf ihre EMDR-Sitzung vorbereitet, dass sie zu den belastenden Erzählungen ihrer Mutter über den Tod des Großvaters schon ein Ausgangsbild gefunden und mit Aquarellfarben gemalt hat. Die NK und PK hat sie gleich dazu auf die Rückseite notiert. NK: "Ich bin schuld." PK: "Ich kann mich abgrenzen." Ich bestätige: "Dann sind Sie ja schon voll eingestiegen", prüfe kurz die Emotionen, den Belastungsgrad und die Körpersensation und sage: "Werfen Sie noch mal einen Blick auf das Bild von den Erzählungen ihrer Mutter, sagen Sie sich dazu den Satz 'Ich bin schuld' und folgen Sie mit den Augen dem Finger. - Sehr gut!"
Die Phase der Neuverarbeitung ist der Kern der Methode und wird auch als Prozessieren oder EMDR-Prozess bezeichnet. Der Therapeut beginnt mit der bifokalen Stimulierung. Pro EMDR-Sitzung werden so viele Stimulierungsserien durchgeführt, wie benötigt werden, um die Belastung zu beseitigen. Bei Bedarf werden Zusatzstrategien (z.B. Veränderung der Stimulierung, kognitives Einweben) zur Weiterführung des Verarbeitungsprozesses eingesetzt. Nach jeder Serie wird gefragt, welches (unverarbeitete) Material ins Bewusstsein getreten ist.
Fall 1: Frau Dr. Anderson besteht darauf, im Prozess laut zu sagen, was sie erlebt. Das ist nicht üblich und kann leicht vom emotionalen Prozess ablenken. Frau Anderson sagt: "Da sind sie, die Menschen haben einen Kreis um mich gebildet, ich liege am Boden, keiner hat den Mut, mich zu berühren, sie lassen mich einfach liegen, ich blicke in die gleißenden Scheinwerfer der Autos, meine Maschine ist irgendwie weg, ich habe noch den Helm auf, ich kann mich nicht bewegen, vielleicht bin ich gelähmt, es sind Stimmen da, die Scheinwerfer blenden, sie sind aber nicht mehr so gleißend hell wie gerade noch, die Stimmen werden auch leiser, ich liege einfach da, lieber lasse ich meinen Helm erst mal noch auf, ich bewege meinen Kopf noch nicht, aber ich könnte ihn jetzt bewegen, ich bewege ihn ganz leicht, die Scheinwerfer sehen jetzt eher aus wie Schatten, die Menschen um mich herum sind wie Schatten, sie sagen gar nichts mehr, es ist ruhig geworden, und ich kann die Menschen erkennen, das Licht blendet nicht mehr, ich sehe meinen Freund, ich sehe ihn auf mich zukommen, alles andere tritt in den Hintergrund, die Bilder verblassen, es ist nur noch mein Freund da, und er hält meine Hand."
Da ich normalerweise alle 24 bis 30 Rechts-links-Bewegungen anhalte, um nach der letzten inneren Wahrnehmung zu fragen, diese Klientin kontinuierlich redet und dabei ganz gut im emotionalen Prozess zu sein scheint, gebe ich meinem Arm eine Pause und sage: "Sehr gut, blenden Sie jetzt die inneren Wahrnehmungen aus, atmen sie tief aus, ja, sehr gut, und wie hoch ist der Grad der Belastung jetzt, wobei 0 keine und 10 die maximale Belastung bedeutet?" - "Die Belastung ist jetzt auf 3, ich sehe ja nur noch meinen Freud, der sich beim Unfall gleich sehr gut um mich gekümmert hat. Und wissen Sie, ich hatte mich ja gar nicht verletzt, und gelähmt war ich erst recht nicht!"
Die Worte, mit denen EMDR-Therapeuten ihre Klienten bekräftigen, im Prozess weiterzugehen, stammen aus der Tradition Milton Ericksons. Sie sollen dem Klienten vermitteln, dass er auf dem richtigen Weg ist, und ihn ermuntern, weiterzugehen. Übliche Worte lauten: Genau so! Sehr gut, ja! So ist's richtig! Hmm! Sehr gut, gehen Sie da weiter! So ist es gut! Sollten diese Worte den Klienten irritieren, können sie weggelassen werden. Auf andere als inhaltslos positive Bemerkungen muss während des EMDR-Prozesses verzichtet werden, um den Prozess nicht zu stören oder zu unterbrechen.
Herr Braun verarbeitete seine Erinnerung, indem er sie in chronologischer Reihenfolge nacherlebte und sie damit in die Zeitkategorie so einsortierte, dass er auch emotional begreifen konnte, dass die Geiselnahme vorbei war.
Fall 2: Herr Braun steigt mit dem Ausgangsbild, von den Geiselnehmern überfallen zu werden, in den EMDR-Prozess ein. Dazu wiederhole ich laut seine Negative Kognition "Es ist aus". Während ich beobachte, wie sich Herr Braun darauf einlässt, mit der Aufmerksamkeit seiner inneren Wahrnehmung zu folgen, bekräftige ich diesen Prozess: "Sehr gut, das ist genau richtig, beobachten Sie, was auch immer kommt ... ja, sehr gut!" Die erste Stimulierungssequenz gestalte ich über eine Minute lang, um ihm genug Zeit zu geben, zu neuen Assoziationen zu gelangen. Dann bitte ich ihn, die inneren Wahrnehmungen auszublenden, tief auszuatmen und den letzten Inhalt der inneren Wahrnehmung zu benennen. "Ich bin jetzt im Kofferraum meines Dienstwagens, da fällt mir mein Handy ein, das ich noch in der Tasche habe. Ich rufe sofort meine Frau an, erkläre ihr ganz kurz die Lage und verstecke dann das Handy im Verbandskasten im Kofferraum." - "Das reicht schon", unterbreche ich, "das ist genau richtig, beobachten Sie bitte, was weiter auftaucht." Nach einer recht langen Stimulierungssequenz von gut drei Minuten sehe ich, dass Herr Braun tief ausatmet. Ich setze die Stimulierung noch einen Moment lang fort, damit er genug Zeit hat, die Entspannung selbst wahrzunehmen, und sage dann: "Sehr gut", während ich die Hand herunternehme. Dann frage ich: "Was kam jetzt zuletzt?" - "Ich bin jetzt schon in diesem Verließ, es war dieser alte Keller, sie sprechen jetzt endlich wieder mit mir, anstatt mich zu schlagen. Und wenn ich mit jemandem sprechen kann, dann kann ich auch verhandeln. Ich erkläre ihnen jetzt, was ich für sie tun kann, damit sie da heil rauskommen, anstatt in den Knast zu wandern." Während ich "Sehr gut, dann beobachten Sie bitte weiter" sage, beschäftigt mich die Frage, wie Herr Braun wohl befreit worden sein mag. Aber nichts wäre unsinniger, als einen gut laufenden EMDR-Prozess mit neugierigen Fragen zu unterbrechen. Nach einer Weile sehe ich wieder ein Zeichen der Erleichterung, einen tiefen Atemzug, und kurz danach frage ich: "Was ist jetzt?" - "Es ist vorbei!" - "Sehr gut, wie hoch ist die Belastung jetzt?" - "Welche Belastung? Ich freue mich, dass ich lebe!"
Nicht immer reichen die Ressourcen und der emotionale Zugang der Klientin oder des Klienten zum Belastungsthema allein, um den Prozess im Fluss zu halten. F. Shapiro (2001) beschreibt das kognitive Einweben als eine EMDR-Technik, die entwickelt wurde, um Blockierungen zu lösen und kognitiv-emotionale Endlosschleifen zu beenden. Da der EMDR-Prozess in erster Linie in der Innenwahrnehmung des Klienten stattfindet, erweitert das therapeutische Einweben die therapeutischen Möglichkeiten, indem es dem Therapeuten ermöglicht, bestimmte Inhalte oder Informationen in den Prozess des Klienten einfließen zu lassen. Der Begriff "Einweben" ist also darauf bezogen, dass der Therapeut ganz sparsam und gezielt Information anbietet, die beim Klienten zur Verbindung vorher unverbundener Inhalte führt. Diese Methode, bei der Erkenntnisse von Therapeutinnen mit denen von Klienten verwoben werden, ist prinzipiell in jeder Phase möglich und sehr effektiv, sollte aber sparsam verwandt werden, da Veränderungen, die vom Klienten ausgehen, am meisten zur Steigerung seiner Selbstwirksamkeit beitragen. In der Tabelle sind verschiedene Kategorien des therapeutischen Einwebens mit Beispielen aufgeführt.
Form des Einwebens | Beispiel |
mechanisch:
Eigenschaften und Art der Stimulation verändern |
Frau Grau erinnert sich an das erschrockene Schweigen der ganzen Familie bei den Erzählungen ihrer Mutter. Das wiederholt sich und scheint ihr unendlich lange. Ich führe die Augenbewegungen bei der nächsten Sequenz schräg statt waagerecht. |
Wahrnehmungsebene:
Wechsel der Modalität der inneren Wahrnehmung |
Frau Grau erlebt im EMDR-Prozess zahlreiche Körpersensationen, die sie nicht verstehen kann. Ich bitte sie, sich vorzustellen, ihr Körper würde mit ihr sprechen - welcher Dialog könnte sich dann entwickeln? |
fokussierend:
Zum Ausgangsthema zurückbringen |
Ich bin mir nicht sicher, ob der EMDR-Prozess noch mit Affekt verbunden ist und fließt. Ich bitte Frau Grau deshalb zu prüfen, wie belastend sich die Erinnerung nun anfühlt. |
Affektbrücke:
Auf Hintergrundserfahrungen zurückgehen |
Frau Grau fühlt sich bei der Vorstellung, sich gegen ihre Mutter abzugrenzen, total ohnmächtig. Ich bitte sie, mit dem Gefühl der Ohnmacht innerlich zurückzugehen und eine Situation aufzusuchen, die dieses Maß an Ohnmacht gerechtfertigt hat. |
distanzierend:
Einsatz therapeutischer Distanzierungstechniken |
Frau Grau fühlt sich dafür schuldig, nichts gesagt zu haben. Ich frage: "Wenn Sie sich die Szene heute aus großer Distanz ansehen, wer könnte dort verantwortlich sein, etwas zu sagen?" |
entwicklungsorientiert: Nachholen von Entwicklungssituationen |
Frau Grau misstraut ihrer Wut auf ihren Vater, die sie plötzlich entdeckt. Ich frage: "Wenn Sie als kleines Kind wütend wurden, wie wäre es gewesen, von Ihrem Vater liebevoll klare Grenzen gesetzt zu bekommen?" |
unterstützend:
Ermutigen, Erlaubnis erteilen, Anerkennung geben |
Frau Grau schämt sich, mich mit ihrer ganzen Familiengeschichte zu belasten. Ich antworte, sie habe wirklich Grund, stolz darauf zu sein, sich an dieses schwere Thema herangewagt zu haben. |
Körperressource:
Aktivieren einer zuvor verankerten Ressource auf Körperebene |
Immer wieder erlebt Frau Grau Kopfschmerzen, wenn sie sich an ihren trinkenden Vater erinnert. Ich bitte sie, ihre Hand auf die Stelle des Körpers zu legen, die im Vergleich zum Kopf am ehesten schmerzfrei ist, und ihre Aufmerksamkeit dort zu lassen. |
kognitiv:
Sokratische Frage, Erwachsenenperspektive, Zukunftsperspektive |
Frau Grau fühlt sich ohnmächtig, ihrer Wut auf den Vater Ausdruck zu geben, weil sie auch vor ihm Angst hat. Ich frage: "Wenn Sie heute in die damalige Szene treten könnten, welche Erlaubnis würden sie dem Kind, das sie damals waren, gern geben?" |
imaginativ:
Imagination einer Ressource |
Frau Grau sieht innerlich immer wieder die Hand ihres Vaters auf sich niederfahren, die Angst steigt wiederholt. Ich leite die Imagination an, sich innerlich an sein Grab zu stellen und zu vergleichen, wer heute körperlich stärker ist. |
Andere Formen des Einwebens benötigte ich nicht in der Arbeit mit Frau Grau, sie seien aber der Vollständigkeit halber hier auch anhand von Beispielen genannt:
Form des Einwebens | Beispiel |
mit Teilearbeit:
Ressourcenvolle innere Anteile werden aktiviert |
Ein leitender Bankangestellter schämt sich in der Sitzung fortgesetzt, als Kind gestohlen und viel getrickst zu haben. Der Therapeut sagt: "Wenn auf dem Stuhl da drüben das Kind sitzen würde, das sie damals waren, was könnten Sie ihm heute sagen?" |
symbolisch:
Symbolisieren konkreter Inhalte; Symptome als Tiere oder Monster |
Ein kluger zehnjähriger Junge bleibt im EMDR-Prozess in der Angst stecken, immer wieder einzunässen. Der Therapeut fragt: "Wenn das Pipimonster eine Klassenarbeit schreiben müsste, wer von euch beiden wäre schlauer, das Pipimonster oder du?" |
humorvoll:
Überraschung und Witz als Ressource einsetzen |
Eine Frau kreiselt bei der irrationalen Überzeugung, eine schlechte Mutter zu sein, weil ihr Sohn in Therapie geht. Die Therapeutin sagt, sie kenne einen Kollegen, der bei Jugendlichen sehr beliebt und beruflich erfolgreich sei: Er suche immer bei den Eltern die Schuld! |
Erst wenn der Belastungsgrad 0 oder einen Wert erreicht, der einer optimalen inneren Balance entspricht, und die Positive Kognition passend und ganz stimmig ist, soll die Phase der Verankerung beginnen. Dabei lenkt der Therapeut die Aufmerksamkeit des Klienten noch einmal auf die Ausgangssituation und wiederholt dazu die Positive Kognition. Diese beiden Inhalte werden mit langsamer Rechts-links-Stimulierung verknüpft, die so kurz durchgeführt werden sollte, dass beim Klienten darüber hinaus keine neuen Assoziationen mehr auftauchen.
Fall 1: Die erste EMDR-Sitzung mit Frau Dr. Anderson ist nun fast vorüber, der Grad der Belastung ist aber noch bei 3. Erst bei 0 soll verankert werden, also kommt die Phase 5 in dieser Sitzung nicht mehr zur Anwendung. Ich frage Frau Anderson deshalb nach einer so genannten Zwischenkognition: "Was ist das beste, das Sie jetzt schon über sich sagen können und das schon voll zutrifft?" - "Ich bin gesund", sagt sie, während sich ihr Gesicht freudig aufhellt.
Fall 2: Herr Braun ist spontan zu der Assoziation "Ich lebe" gekommen, die PK trifft jetzt voll zu. Der Grad der Belastung ist 0. Ich bitte Herrn Braun, noch einmal an die Geiselnahme zu denken, sich zu sagen: "Ich lebe" und dabei noch einmal mit den Augen kurz meiner Hand zu folgen. Die PK passt jetzt absolut zur Ausgangssituation.
Fall 3: Frau Grau hat die EMDR-Sitzung mit den Erzählungen ihrer Mutter von den Kriegserlebnissen und dem Tod des Großvaters begonnen, ärgert sich zuletzt aber kräftig über ihren Vater, der Mutter in solchen Situationen nicht geantwortet und den Kindern die Situation nicht erklärt zu haben. Die PK "Ich kann mich abgrenzen" macht jetzt für Frau Grau keinen Sinn mehr, denn ihr Vater hätte sich ja abgrenzen müssen, nicht sie. "Ich kann Verantwortung richtig zuordnen" gefällt ihr viel besser, trifft auch schon voll zu und kann mit einer kurzen Serie langsamer Rechts-links-Bewegungen verankert werden.
Nur wenn Phase 5 indiziert war, soll danach der Körpertest prüfen, ob wirklich der letzte Belastungsrest verschwunden ist. Hat die Stimmigkeit der Positiven Kognition 7 erreicht, soll die Klientin die Ausgangssituation in Verbindung mit der Positiven Selbstüberzeugung vergegenwärtigen, mit der Aufmerksamkeit noch einmal langsam von oben nach unten durch den Körper wandern und die dabei auftretenden Körperempfindungen schildern.
Fall 1: Bei Frau Dr. Anderson überspringe ich den Körpertest, weil sie noch eine Restbelastung von drei angegeben hat. Wenn sie jetzt auf den Körper fokussieren würde, könnte die Restbelastung wieder stärker werden, und wahrscheinlich würden dann noch weitere Assoziationen angestoßen, weshalb ich bei Frau Anderson gleich zum Abschluss der Sitzung zum Sicheren Ort übergehe.
Fall 2: Herrn Braun bitte ich, sich noch einmal kurz an die Geiselnahme zu erinnern, sich den Satz "Ich lebe" zu sagen und seine Aufmerksamkeit langsam von oben nach unten durch den Körper zu lenken. Die Schultern nimmt er noch angespannt wahr. Ich bitte ihn, seine Aufmerksamkeit auf die Anspannung dort zu richten, während ich die Stimulierung eine letzte Sequenz lang fortführe. Seine Schultern sacken sichtbar nach unten, und sein ganzer Körper fühlt sich für ihn warm und entspannt an.
Fall 3: Frau Grau hatte die positive Kognition neu gewählt. Sie lautet nun: "Ich kann Verantwortung richtig zuordnen." Ich bitte sie, an die Erzählungen ihrer Mutter über den Tod des Großvaters zu denken und sich diesen Satz zu sagen, während sie ihren Körper von oben nach unten langsam innerlich abtastet. Der Körper sei jetzt ganz entspannt, sagt sie.
Zur Herstellung oder Sicherung des emotionalen Gleichgewichts am Ende der Sitzung bieten sich kurze Entspannungs- und Distanzierungsübungen an. In der Nachbesprechung der Sitzung soll sich der Therapeut davon überzeugen, ob der Klient sich wieder im "Hier und Jetzt" befindet. Die Information darüber, dass der Verarbeitungsprozess auch in den nächsten Tagen nach der Sitzung noch weitergeht, hilft der Klientin oder dem Klienten, sich auf die nächste Sitzung vorzubereiten, ohne über weitere zum Thema noch auftauchende Inhalte zu erschrecken.
Fall 1: Da Frau Dr. Anderson am Ende des EMDR-Prozesses eine Restbelastung von drei genannt hat, achte ich ganz besonders auf einen vollständigen Abschluss. Ich führe sie in die Imagination ihres sicheren Ortes: Der Blick aufs Meer, der Geruch der frischen Meeresbrise, der sich mit dem Duft korsischer Kräuter mischt, der leichte Wind und die Kühle auf der Haut, das leise Rauschen des Meeres und des Windes. Zum Abschluss der Sitzung bitte ich Frau Anderson, eine Art Therapietagebuch zu führen und etwa belastende Inhalte, die noch mit dem Thema der Sitzung in Beziehung stehen, zu notieren.
Fall 2: Herr Braun springt auf, weil er gleich einen beruflichen Termin habe. Schon hat er die Autoschlüssel gezückt. Mehr als ein reales Symbol für die Sicherheit in der Gegenwart kann ich ihm nicht bieten, also verabschiede ich ihn zügig, obwohl ich normalerweise jeden Klienten darauf hinweise, nicht sofort nach der EMDR-Sitzung ins Auto zu steigen.
Fall 3: Frau Grau ist unheimlich müde. Ich bitte sie, sich zu notieren und in die nächste Sitzung mitzubringen, was immer sie noch belasten sollte. Es sei ganz normal, dass die Themen aus den Sitzungen noch weiterarbeiten würden, wie sie es ja schon erlebt habe. "Nein, aufschreiben will ich das nicht, aber malen könnte ich es!" - "Ja", bestätige ich, das wäre noch viel besser.
Zu Beginn jeder auf eine EMDR-Sitzung folgenden Therapiestunde wird überprüft, ob das Ausgangsthema der letzten Sitzung ganz verarbeitet wurde und das Thema abgeschlossen ist oder ob neues Material aufgetaucht ist. Es gehört also zu den ersten Fragen in einer Folgesitzung, was zum vorangegangenen Behandlungsthema Neues aufgetaucht ist.
Fall 1: Frau Dr. Anderson wirkt heute auffallend lebendig und heiter. Ich frage nach der Zeit nach der letzten Sitzung. "Ja", sagt sie, "das mit dem EMDR war ja prima, ich bin danach gleich nach Hause und habe mich auf mein Bett gelegt, so erschöpft war ich irgendwie danach, aber dann schaute ich so an die Decke und an der Deckenkante entlang von rechts nach links, das geht doch so, Herr Schubbe, oder?" - "Ja, ich hätte Ihnen von mir aus nicht dazu geraten, es alleine anzuwenden, aber ist denn noch etwas aufgetaucht?" - "Ja, mir war sofort klar, dass der Unfall für mich eigentlich nur so schlimm war, weil ich so hilflos dalag wie nach dem Missbrauch durch meinen Onkel Herbert." - "Das wusste ich ja gar nicht", unterbrach ich. "Nein, das können Sie ja auch nicht, das wusste ich ja selbst nicht mal, ich erinnerte mich einfach, als ich da so auf dem Bett lag, dass Sie gesagt hatten, wenn man im Prozess ist, soll man auch weitermachen. Ich lag dann insgesamt anderthalb Stunden auf meinem Bett und dann war mir klar, was ich zu tun hatte. Inzwischen habe ich mit der ganzen Familie gesprochen, und meine Eltern und Geschwister glauben mir und unterstützen mich sehr gut. Meine Tante Hedwig, die Frau von dem Herbert, die ist gerade dabei auszuziehen, denn sie war so erschrocken, sie ist ja selbst als Kind missbraucht worden und sagt, sie habe nie was gemerkt, aber noch mal wolle sie so was nicht tolerieren."
Aus Umfragen ist bekannt, dass viele Klienten die Rechts-links-Stimulierung zu Hause anwenden, ohne mit der Therapeutin oder dem Therapeuten darüber zu reden. Ich habe aus der Erfahrung mit Frau Dr. Anderson gelernt, diese Möglichkeit und ihre Risiken rechtzeitig vor der ersten EMDR-Sitzung anzusprechen. Denn nicht alle Klientinnen haben die Ressourcen und die Geduld von Frau Anderson, den Prozess bis zu einem beruhigenden Ende durchzuhalten, und dann sind Verschlimmerungen nicht auszuschließen.
Fall 2: Herr Braun kommt zwei Monate nach seiner Geiselnahme zur dritten Sitzung. Der Händedruck ist angemessen kräftig, der Blick strahlend, er sei nur gekommen, um sich zu bedanken, denn er habe seit der EMDR-Sitzung wieder wie ein Murmeltier geschlafen. Ich lade ihn ein, eine etwaige Restsymptomatik zu überprüfen, und ich bitte ihn, sich noch einmal an die Geiselnahme zu erinnern und die damit verbundene Belastung auf der Skala zwischen 0 (keine) und 10 (maximale Belastung) einzuschätzen. Mit ruhiger Stimme antwortet er, er spüre gar keine Belastung mehr, worauf ich ihn zusätzlich auffordere, sich an die gesamte Abfolge der Ereignisse im Zusammenhang mit der Geiselnahme zu erinnern. Wir gehen gemeinsam noch einmal den ganzen Film durch - der Überfall, die Fahrt im Kofferraum, die Szene im Wald, das Kellerloch, die Verhandlungen, der Polizeieinsatz und am Ende die Wiederbegegnung mit seiner Frau. Zu jeder Szene erfrage ich den Belastungsgrad und ob der Körper irgendwelche Reaktionen zeige, aber bis zum letzten Bild ist keine Belastung auszumachen.
Zur Abschlussdiagnostik führe ich noch einmal die Impact of Event Scale durch, und als Summe der Einzelscores erhalte ich einen Wert unterhalb des klinisch bedeutsamen Bereiches. Ich melde ihm dies zurück. In diesem Moment äußert er plötzlich doch noch eine - wie er sagt - mittelgradige Belastung: Um seine Frau mache er sich ernsthaft Sorgen, denn immer beim Läuten des Telefons würde sie öfter ein wenig zusammenzucken. Am Telefon hatte sie den Anruf der Entführer entgegengenommen, erklärt er, ob seine Frau vielleicht mal bei mir vorbeikommen könne?
Wenn die Symptomatik so schnell weggeht, taucht sie dann nicht bald wieder woanders auf? Bei Herrn Braun war ich skeptisch, deshalb besprach ich mit ihm, dass sich seine Frau bei mir melden solle und wir vielleicht eines Tages noch einmal eine Sitzung mit ihm und ihr zusammen hätten. Er war damit einverstanden, aber seine Frau meldete sich nicht. Ein viertel Jahr später war ich neugierig genug, ihn noch einmal telefonisch zu kontaktieren. Seine Frau war am Telefon, und sie wusste gleich, worum es ging und versicherte mir, ihr Mann habe sich große Sorgen um sie gemacht, aber ihr gehe es inzwischen wieder vollständig gut.
Solche Verläufe sind nicht nur EMDR zuzuschreiben, sondern entsprechen auch der Tendenz von posttraumatischen Störungen, spontan zurückzugehen. In der epidemiologischen Studie fanden Kessler u.a. (1995), dass ein Drittel der Traumatisierten nach zwölf Monaten beschwerdefrei war, die Hälfte nach vier Jahren und insgesamt zwei Drittel nach zehn Jahren. Da EMDR nur die innerpsychische Traumaverarbeitung unterstützt, ist es insbesondere in der Arbeit mit Kindern wichtig, das ganze System und die Aufrechterhaltung der Symptomatik im System im Blick zu behalten. Für die EMDR-Arbeit ist es sinnvoll, die Weitergabe von Traumatisierungen über die Generationen hinweg zum Behandlungsthema zu machen. Mit Frau Grau hatte ich gleich zu Beginn das Konzept von Kitchur benutzt und mit dem Genogramm gearbeitet. Ihr "Strategic Developmental Model" hat sich in meiner Arbeit seither jedes Mal gut bewährt.
Fall 3: Frau Grau kommt zur sechsten Sitzung. Sie hat auch diesmal ein Bild mitgebracht, aber heute ist es ein Aquarell von einer Blumenwiese, in deren Farben das Licht der Sonne strahlt. Sie habe bei der letzten Sitzung verstanden, dass sie nie mehr dasselbe Gefühl wie in den schlimmsten Momenten ihrer Kindheit haben werde, denn heute sei es ja schon rein sprachlich nicht dasselbe Gefühl, sondern höchstens das gleiche, aber das gleiche sei ja ein anderes, ein neues, also ein erwachsenes Gefühl im Vergleich zu damals. Dann öffnet sie noch einmal ihre Zeichenmappe: "Ich würde Ihnen gern die beiden anderen Bilder zeigen. Hier habe ich den Tod im KZ gemalt, dieses Licht hier steht für den Tod, denn ich kann ja wohl annehmen, dass meine Großeltern beide vergast wurden. Da können wir heute dran arbeiten. Das andere brauchen wir heute sicher noch nicht, es stellt meine Mutter mit mir auf dem Arm dar, und hier ist das Foto, das ich verwendet habe, aber beim Malen von diesem Bild bin ich richtig in ein Loch gefallen. Ich brauche noch ein paar Sitzungen, meine Therapie hat ja gerade erst begonnen, oder?"
Hauptindikation ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), aber auch zahlreiche andere Störungen, die in Folge psychischer Traumatisierungen auftreten, können mit EMDR wirksam behandelt werden. Es gibt störungsspezifische EMDR-Sonderprotokolle für Phobien, Panikstörungen, komplizierte Trauerreaktionen, Substanzabhängigkeiten, chronische Schmerzsyndrome, Somatisierungsstörungen u.a. (Schubbe 2004).
Wenige Therapeuten interessieren sich für die Forschung, und die Forschung ignoriert oft klinisch relevante Fragen. Edmond u.a. (2004) ließen 59 durch sexualisierte Gewalt traumatisierte Frauen zwischen 18 und 51 Jahren nach ihrer subjektiven Einschätzung zur Wirkung von EMDR befragen. Die Kontrollgruppe erhielt eine gängige eklektische Therapie anstelle von EMDR. Die Qualität der therapeutischen Veränderungen wurde nach der eklektischen Therapie als Verbesserung der Fähigkeit beschrieben, mit den Traumafolgen umgehen zu können: "Ich habe jetzt Hilfsmittel gesammelt. Ich habe gelernt, wie ich mich besser fühlen kann; Dinge die ich tun kann, bevor ich die Therapeutin wieder sehe." oder: "Die Panik ist weg, und ich spüre noch Angst und Aufruhr, aber keine, die mich lähmt. Jetzt weiß ich, dass ich für mich entscheiden kann."
Bei EMDR wurde eine Veränderung auf einer tieferen, existentielleren Ebene beschrieben, die auf die Heilung der Traumatisierung hinweist: "Statt wie herkömmliche Psychotherapie von den äußeren Schalen einer Zwiebel zum Kern vorzudringen, erlaubt EMDR, geradewegs an den Kern zu gehen, das Thema zu lösen, und die Veränderungen dringen dann durch alle Schichten wieder bis zur äußersten Schale empor." Eine andere Probandin formulierte es so: "Ich glaube, es geht direkt auf die Zellebene ... für mich geht es tiefer, als darüber zu reden, es geht direkt ins Zentrum und gibt es frei ... für mich war es, wie wenn ich alles ausschaben und entfernen würde, weil es da nicht mehr hingehört." Die Aussagen der EMDR-Klientinnen weisen darauf hin, dass EMDR eine vollständigere Auflösung der Traumatisierung erzielt, während die Vergleichsgruppe die Beziehung zur Therapeutin höher bewertet.
Die quantitativen Studien lesen sich nüchterner, weisen aber hinsichtlich unterschiedlicher Klientengruppen immer wieder in dieselbe Richtung. Rothbaum (1997) und Wilson u.a. (1995) fanden, dass mit EMDR behandelte traumatisierte Patientinnen und Patienten eine signifikante Symptomreduktion gegenüber einer wartenden Kontrollgruppe erlebten. Im Vergleich von EMDR mit einer nondirektiven Therapieform stellte sich heraus, dass zwar unter beiden Bedingungen eine signifikante Symptomreduktion erreicht werden konnte, die Effektstärken aber bei EMDR größer waren. Die Überlegenheit von EMDR konnte auch im Vergleich mit einer Therapieform, die aus Expositionstraining, Stress-Impfungstraining und kognitiver Umstrukturierung bestand, gefunden werden (Devilly/Spence 1999).
Auch im Vergleich mit einer lang anhaltenden Expositionstherapie ergab sich, dass EMDR schneller und bei einer größeren Anzahl von Studienteilnehmern symptomreduzierend wirkt (Ironson u.a. 2002). Dies zeigte sich auch, wenn die Teilnehmer der Expositionstherapie Hausaufgaben zu erledigen hatten (tägliches Anhören eines Sitzungsmitschnitts), was für die Teilnehmer der EMDR-Therapie nicht galt (Lee u.a. 2002). Sämtliche Therapieeffekte konnten auch katamnestisch bestätigt werden.
In den Studien von Marcus u.a. (1997) und Power u.a. (2002) zeigten die Ergebnisse, dass EMDR vergleichsweise schneller wirksam ist. Bei Power benötigte EMDR-Sitzungen weniger Sitzungen als Expositionsbehandlung, die darüber hinaus noch zusätzliches Expositionstraining und Hausaufgaben enthielt. Beide Gruppen zeigten gegenüber einer wartenden Kontrollgruppe signifikant bessere Veränderungen.
In der Studie von Cusak und Spates (1999) zeigte sich, dass auch ohne die Arbeit mit den Kognitionen des Patienten eine signifikante Symptomreduktion mit EMDR erreicht werden kann, und dies wurde in der Katamnese bestätigt.
Nachdem anfänglich in der Entwicklung von EMDR nur mit den Augenbewegungen gearbeitet wurde, ging man nach und nach dazu über, auch mit anderen Formen bilateraler Stimulation zu arbeiten: durch Antippen der Handflächen (kurz: Tappen) oder durch auditive Reize.
Zwar gibt es Ergebnisse, dass EMDR auch ohne bilaterale Stimulation wirksam werden kann, z.B. mit Konzentration auf einen stillen Lichtpunkt im Vergleich mit Augenbewegungen (Renfrey/Spates 1994); trotzdem sprechen die meisten Befunde dafür, dass die bilaterale Stimulation durch Augenbewegungen, taktile oder auditive Reize zu einer besonders raschen Dekonditionierung beiträgt. So ergab die Studie von Wilson u.a. (1996), dass gerade die Behandlung mit den Augenbewegungen gegenüber taktiler Behandlung und EMDR ohne Augenbewegungen überlegen war.
EMDR strebt wie die Verhaltenstherapie eine Dekonditionierung an. Durch wiederholte, kontrollierte Exposition der traumatischen Erinnerungen in einem geschützten therapeutischen Kontext wird die pathologische Reaktion abgeschwächt (Foa/McNally 1996). Auf der kognitiven Ebene wird außerdem mit den dysfunktionalen Kognitionen des Klienten gearbeitet, aber auch - ressourcenorientiert - mit positiven Kognitionen, die der Klient im EMDR-Prozess eigenständig entwickelt. Shapiro (2001) betont hierzu, dass es sich bei EMDR um keine Form von Expositionsthechnik handeln kann, weil nur zu Beginn eine kurze Exposition stattfindet und daran anschließend frei assoziiert wird, so dass die Expositionszeit bei weitem nicht ausreicht, einen Habituationseffekt zu erreichen.
Hypothesen besagen, dass die repetitiven Vagusstimuli zur Auslösung spezifischer EEG-Muster führen, die nur im REM-Schlaf vorkommen und mit einer beschleunigten Informationsverarbeitung einhergehen. Diese spezifischen Hirnwellen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Augenbewegungen (Nelson u.a. 1983). Somit lässt sich eine Ähnlichkeit der Informationsverarbeitung bei bilateraler Stimulation mit der Verarbeitung von Tageserinnerungen im Traumschlaf herstellen (Stickgold u.a. 2001).
Außerdem belegen zahlreiche Studien, dass die bilaterale Stimulation durch Augenbewegungen mit einer Entspannungsreaktion einhergeht (Barrowcliff u.a. 2001; Wilson u.a. 1996; Sack u.a. 2000). Während der Dekonditionierung wird damit zusätzlich das Moment der Entspannung wirksam und begünstigt den Therapieprozess.
Andere Studien beziehen sich auf die Orientierungsreaktion, die durch bilaterale Stimulation ausgelöst wird. Biologisch betrachtet dient eine Orientierungsreaktion dazu, einem neuen Reiz die Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dieser Prozess wird wahrscheinlich dadurch in Gang gesetzt, dass der Klient während der Behandlung mit EMDR seine Aufmerksamkeit gleichzeitig auf die inneren Prozesse (Erinnerung der traumatischen Inhalte) und die äußeren Reize (die sich bewegende Hand des Therapeuten) richtet. Bei Einsetzen des Orientierungsreflexes wird einerseits die Wahrnehmungsschwelle gesenkt (Stekelenburg/van Boxtel 2002), andererseits nimmt der Parasympatikustonus zu, was zu einer kurzfristigen Verminderung der Herzfrequenz führt und zu der oben genannten Entspannungsreaktion. Gleichzeitig kann der Klient durch die Reize, die der Therapeut durch die bilaterale Stimulation gibt, den Kontakt zum Hier und Jetzt behalten und so die notwendige Distanz zu den möglicherweise sehr belastenden und wegschwemmenden Erinnerungen und Bildern halten. Die Entspannungsreaktion wird mit der Erinnerung an die traumatischen Inhalte verknüpft wird, die so diesmal in einer wesentlich entspannteren Weise abgespeichert werden. Dieser Effekt wird Gegenkonditionierung (counter-conditioning) genannt.
Eine weitere Hypothese über die Wirkung der Augenbewegungen bei EMDR besagt, dass "sie die Lebhaftigkeit belastender Bilder verringern, indem sie die Funktion des visuell-räumlichen Zentrums des Ultrakurzzeitgedächtnisses unterbrechen und so die Intensität der Emotionen, die mit diesem Bild assoziiert sind, reduzieren" (Andrade u.a. 1997, S. 209).
In den 90er Jahren wurden in den USA eine Reihe von Untersuchungen mit Kriegsveteranen aus dem Vietnamkrieg vorgenommen. Diese Personen waren zumeist nicht nur stark traumatisiert, sondern die Symptome der PTBS auch schon über etliche Jahre hinweg chronifiziert. So ergab sich bei diesen Patienten in verschiedenen Studien nur eine gewisse Überlegenheit von EMDR bezüglich einiger Symptome, so z.B. ein Rückgang auf der subjektiven Belastungsskala (Boudewyns u.a. 1993; Jensen 1994). Neben anderen Methoden konnte EMDR in einer anderen Studie aber einen Symptomrückgang erreichen; da die Patienten hier aber außerdem Gruppentherapie erfahren hatten, ist es schwierig, die Effekte der jeweiligen Therapieform zu ermitteln (Boudewyns/Hyer 1996).
Carlson u.a. (1998) konnten im Vergleich von EMDR mit Entspannungstraining und einer Kontrollgruppe den stärksten Symptomrückgang bei den mit EMDR Behandelten feststellen - auch drei, bzw. neun Monate später blieb dieser Symptomrückgang erhalten. Ein Vergleich von EMDR mit Expositionstherapie in Kombination mit progressiver Muskelentspannung ergab: in beiden Gruppen konnte eine Symptomverbesserung erreicht werden, und EMDR war wieder auf der subjektiven Belastungsskala überlegen (Rogers u.a. 1999).
Die Wirksamkeit von EMDR ist damit wissenschaftlich gut untermauert, wenngleich empirisch bisher nicht genau geklärt werden konnte, wo genau der Wirkmechanismus der bilateralen Stimulation ansetzt.
Mit einigen SPECT-Studien wurde ein weiterer Versuch unternommen herauszufinden, wo EMDR ansetzt. Vor und nach EMDR-Sitzungen wurden SPECT-Bilder des Gehirns von Personen mit PTBS gemacht und verglichen. Diese Schnittbilder können auch mit Verhaltensbeobachtungen und den selbstberichteten Erfahrungen der Personen abgeglichen werden.
Levin u.a. (1999) untersuchten sechs Personen mit Posttraumatischer Belastungsstörung vor und nach einer Behandlung mit EMDR (drei Sitzungen). Die Messwerte der klinischen Tests sanken, und es änderte sich der Hypervigilanz-Index - woraus geschlossen werden kann, dass die Person weniger Zeit verwendet, um die Umgebung nach gefährdenden Reizen abzusuchen. Bei einigen Versuchspersonen konnte vor der EMDR-Behandlung im Gyrus anterior cingulate und dem linken Frontallappen eine höhere Erregung gemessen werden als danach. Dies kann darauf hinweisen, dass erfolgreiche Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen nicht die Erregung im limbischen System reduziert, sondern die Fähigkeit erhöht, reale von vorgestellten Gefahren zu unterscheiden.
Die Studie der Koreaner Oh und Choi (2004) ergab bei einem Vergleich vor und nach der Behandlung mit EMDR Folgendes: Der Symptomrückgang war mit klinischen Tests messbar; die zerebrale Perfusion war höher im bilateralen dorsolateralen Präfrontalcortex und niedriger im temporalen Assoziationscortex. Die Unterschiede der zerebralen Perfusion zwischen den Personen der Kontrollgruppe und den Personen mit PTBS nahmen im Zuge der Behandlung ab. Dies zeigte sich vor allem im limbischen System und dem Präfrontalcortex. Daraus lassen sich folgende Wirkungen von EMDR ableiten:
Lansing u.a. (2005) belegten die Wirkung von EMDR mittels SPECT-Schnittbildern bei traumatisierten Polizeibeamten und machten die hirnphysiologischen Wirkungen sichtbar. Nach der EMDR-Behandlung wurde eine Symptomreduktion messbar. Die Perfusion im linken und rechten Okzipitallappen sowie im rechten präzentralen Frontallappen sank, und sie erhöhte sich im linken inferior gelegenen Frontalgyrus.
Die Wirkung von EMDR wurde mit dem Einsatz von Prozac (Fluoxetin) und Placebo verglichen (van der Kolk/Korn 2004). Die teilnehmenden Personen mussten einen CAPS-Score von mindestens 50 aufweisen und es wurden sowohl Personen untersucht, die Kindheitstraumata erlitten hatten, als auch solche, die durch Ereignisse im Erwachsenenalter traumatisiert worden waren. Ausschlusskriterium war eine vorherige Einnahme von Fluoxetin oder vorherige Behandlung mit EMDR. Binnen zwei Wochen mussten alle anderen Medikamenten abgesetzt sein, bevor die Behandlung begann (auch die Teilnehmer, die Placebos durch die unwissenden Rater erhielten, bekamen gewissermaßen eine Behandlung: Aufmerksamkeit durch Rater und Klinikpersonal und durch das Schildern ihres traumatischen Erlebnisses auf Band). Entsprechend angelernte "blinde" Rater wurden eingesetzt, um möglichst saubere Messungen der Effekte durch EMDR oder Prozac oder Placebo mittels entsprechender klinischer Instrumente durchzuführen (CAPS, Beck Depression Scale, Cortisolmessungen für die neuroendokrinologen Funktionen, Hautleitfähigkeit und Herzfrequenz). Vorher und nach dem Ende jeder der drei Behandlungen und zwei Monate und sechs Monate später wurden die Wirkungen gemessen.
EMDR zeigte sich dem Einsatz von Fluoxetin und Placebos weit überlegen. Die Autoren stellten dabei aber fest, dass Fluoxetin eine signifikante Wirkung bei denjenigen Personen zeigte, die ein Kindheitstrauma erlitten hatten. Diese Entdeckung führte wiederum zu Studien, die die Wirkung von Prozac bei PTBS weiter erforschen.
Wenn die Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung sehr stark ausgeprägt sind, kann es auch angezeigt sein, Psychopharmaka parallel zum Therapieprozess anzuwenden (Bauer/Priebe 1997).
Die Befundlage spricht dafür, dass EMDR weltweit einen wichtigen Beitrag zur Behandlung traumatisierter Personen leisten kann. Ausdrücklich empfohlen wird es auf internationaler Ebene bereits von der International Society for Traumatic Stress Studies (ISTSS) und im deutschsprachigen Raum von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), in der 151 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus allen aus allen Bereichen der Medizin zusammengeschlossen sind.
In England wird es vom British Department of Health sowie vom National Health Service of England and Wales empfohlen, in Irland vom Northern Ireland Department of Health in Belfast, in Israel vom National Council for Mental Health, in den Niederlanden vom Dutch National Steering Committee, in Schweden vom Medical Program Committee der Stadt Stockholm und in den USA von der American Psychiatric Association und vom Department of Veterans Affairs & Department of Defense.
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Oliver Schubbe, Dipl.-Psych., geboren 1962, Verhaltens- und Familientherapeut, EMDR-Trainer, gründete nach dreijähriger Tätigkeit in San Diego 1990 das Institut für Traumatherapie in Berlin (www.traumatherapie.de), war Gründungsvorstand von EMDRIA Deutschland e.V. und initiierte das internationale Netzwerk der EMDR-Trainer (NOET). |
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